12.07.2004

Monopolkommission: 15. Hauptgutachten (2002/2003)

Deutschland
Monopolkommission
Hauptgutachten

https://www.monopolkommission.de

Das 15. Hauptgutachten der Monopolkommission trägt den Titel "Wettbewerbspolitik im Schatten Nationaler Champions". Es ist auf der Website in einer Kurzfassung (64 Seiten ohne Tabellenteil) veröffentlicht und wird von einer ausführlichen Pressemitteilung begleitet, die den wesentlichen Inhalt zusammenfasst. Besonders zu beachten ist, was die Monopolkommission zu den Nationalen Champions und zur 7. GWB-Novelle schreibt.

Nationale Champions

Die industriepolitisch begründeten Forderungen nach der Förderung von Großunternehmen, die im Weltmaßstab eine gewichtige Rolle spielen sollen, lehnt die MK ab (4). Als negative Beispiele nennt sie die Ministererlaubnis für E.ON/Ruhrgas, das verlängerte Briefmonopol für die Deutsche Post AG, den Ruf nach einer "starken deutschen Bank", aber auch die Forderung nach einem "Superkommissar" in der neuen EU-Kommission, der die Belange von Wirtschaftspolitik und Industriepolitik miteinander in Einklang bringen soll.

Solche Champions werden verlangt, weil sie angeblich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft stärken. Dies hält die Monopolkommission für eine "Chimäre" (5). Im Wettbewerb stehen nicht Staaten, sondern Unternehmen. Das Bild von der Volkswirtschaft als Wettbewerber entstammt einer "militaristischen Politiktradition" (8). Es kommt darauf an, dass ein Land die verfügbaren Ressourcen möglichst produktiv einsetzt (9). Woher weiß jedoch die Bundesregierung, welche Champions förderungswürdig sind (10)? Staatliche Versuche zur Wirtschaftslenkung sind, außer in Fällen des Marktversagens, zu vermeiden (12). Für die Förderung bestimmter Unternehmen bezahlen letztlich die Konkurrenten, die Abnehmer und die Steuerzahler.

Die MK lehnt solche Förderungsmaßnahmen auch ab, wenn sie Ausdruck einer "strategischen Außenhandelspolitik" sein sollten (15). So wird vorgebracht, dass es besser sei, wenn die Monopol- und Oligopolgewinne geförderter Unternehmen im eigenen Land anfielen. Die MK ist davon nicht überzeugt, denn die Vorteile der Förderung eines Champions könnten durchaus die Nachteile der Vermachtung eines Marktes übersteigen, und es ist auch nicht sicher, dass das Unternehmen überhaupt erhebliche Gewinne macht. Zweifelhaft ist auch, ob Gewinne im Land verbleiben würden, wenn das Unternehmen ausländische Anteilseigner hat. Schließlich erneut die Frage: woher weiß der Wirtschaftspolitiker, welche Sektoren sich als Gegenstände einer solchen Politik eignen (17)? Erfahrungen in Japan (MITI) und in Frankreich (Kohle, Stahl, Förderung einer Computerindustrie) sind eher negativ (20, 21).

Der Gesetzgeber hat die Wettbewerbspolitik mit guten Gründen aus dem politischen Prozess herausgelöst und die Anwendung des Wettbewerbsrechts speziellen Wettbewerbsbehörden übertragen. Damit hat der Gesetzgeber die Politik vor sich selbst schützen wollen (27). Die Vereinigung von Industriepolitik und Wettbewerbspolitik in einer Hand (Super-Kommissar) birgt deshalb das Risiko, dass diese Entscheidung des Gesetzgebers unterlaufen und die Wettbewerbspolitik politisiert wird (29).

Die MK sieht auch den Standortwettbewerb nicht als Argument an. Es handelt sich dabei um den "Wettbewerb von Gemeinwesen um die Standorte von unternehmerischen Entscheidungszentralen" (31). Dies betrifft aber nicht die Stellung der Unternehmen auf ihren Märkten und kann deshalb die Förderung von Champions nicht rechtfertigen.

7. GWB-Novelle

Die MK wiederholt hier ihre Positionen aus den beiden Sondergutachten zur 7. GWB-Novelle und speziell zur Erleichterung von Pressefusionen. Sie legt besonderen Wert auf die Verbesserung der privaten Rechtsdurchsetzung im Wettbewerbsrecht durch Verbreiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten, Beweiserleichterungen, doppelten Schadensersatz und höhere Bußgelder als Instrumente der Abschreckung (57).

Im Pressebereich hält die MK die Herausnahme von Anzeigenkooperationen aus dem Kartellrecht für problematisch (68). Insgesamt ist am ehesten die Anhebung der Aufgreifschwellen in der Pressefusionskontrolle noch vertretbar (69).

Die MK äußert sich auch zu Überlegungen, den SIEC-Test der FKVO ins deutsche Recht zu übernehmen. Sie hält es für richtig, auch in der deutschen Fusionskontrolle stärker auf ökonomische Analysen abzustellen. Dafür ist die Aufgabe des Marktbeherrschungs-Kriteriums aber nicht erforderlich. Zudem "könnte die offene und teilweise missverständliche Formulierung des SIEC-Tests zum Einfallstor für industriepolitisch motivierte Erwägungen werden" (91). Die MK lehnt deshalb eine Rechtsänderung "entschieden" ab (92). Sie schlägt aber, analog zum Chefökonomen der GD Wettbewerb, die Einrichtung eines ökonomischen Grundsatzreferates beim Bundeskartellamt vor (93).