19.03.2004
John Vickers (OFT) - Merger policy in Europe - retrospect and prospect (Vortrag)
EU
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https://www.oft.gov.uk |
Dr. John Vickers, Leiter der britischen Wettbewerbsbehörde (Office of Fair Trading), hat am 11. Februar 2004 in Washington über jüngste Entwicklungen der britischen und der europäischen Fusionskontrolle referiert. Er äußert sich zur britischen Fusionskontrolle, zur Reform der EU-Fusionskontrollverordnung (besonders zum SIEC-Test, für den er in den Verhandlungen sehr engagiert eingetreten war) und zur Konvergenz von europäischer und amerikanischer Fusionskontrolle:
Großbritannien
- Reform des britischen Wettbewerbsrechts: Competition Act (in Kraft seit März 2000 – neues Kartellrecht), Enterprise Act (in Kraft seit Juni 2003 – neues Fusionskontrollrecht),
- Test für Zusammenschlüsse nicht mehr "public interest", sondern "substantial lessening of competition" (SLC),
- Umstritten ist, wann OFT einen Zusammenschluss der Competition Commission vorlegen muss ("Einleitung von Phase II"); der Fall IBA Health v. OFT wird demnächst vom Court of Appeal entschieden,
- OFT will nur vorlegen, wenn es vernünftige Gründe für die Annahme von SLC gibt. Das Competition Appeal Tribunal will die Vorlagepflicht erweitern: es reicht nicht aus, dass OFT kein SLC erwartet, sondern es darf auch nicht anzunehmen sein, die Competition Commission könne aufgrund näherer Untersuchung zu einem anderen Ergebnis kommen. Was künftig gilt, muss jetzt das Berufungsgericht entscheiden. Verliert OFT, müssen wahrscheinlich jährlich statt 15 bis 20 eher 20 bis 30 Fälle in die Phase II gehen.
FKVO
- Der alte Test bestand aus zwei Teilen: Marktbeherrschung (1) und erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs (2). Liegt 1 vor, kann es noch zu einer Freigabe kommen, wenn 2 nicht erfüllt ist. Besteht aber schon keine Marktbeherrschung, ist der Zusammenschluss freizugeben. Hier liegt das Problem: es kann Zusammenschlüsse geben, die trotz Fehlens von Marktbeherrschung untersagt werden sollten.
- Man hat versucht, das Problem mit einer Ausdehnung des Begriffs der Marktbeherrschung zu lösen: kollektive Marktbeherrschung (Nestlé / Perrier, Kali + Salz). Dabei kommt es nach dem EuG auf stillschweigende Koordination an (Airtours). Bedenken: schwere Beweislast für die Kartellbehörde, außerdem ist die stillschweigende Koordination nicht die einzige Möglichkeit, Wettbewerb zu vermindern.
- Begründung: "In particular, mergers in oligopoly can reduce competition through non-co-ordinated effects as well as by co-ordinated effects. You do not need to be an dynamic oligopoly theorist to grasp non-co-ordinated effects. If erstwhile competitors A and B merge, the market has lost the competition between A and B. If there was a shortage of surrounding competition, this effect could lessen competition substantially in the market as a whole. For example, with A and B no longer competing, C and D might slacken their competitive efforts in the market place.".
- Das Problem der "Lücke" (gap) im Marktbeherrschungstest konnte man auf drei Wegen lösen:
- Man leugnet es,
- Man vertraut auf die Weiterentwicklung des Marktbeherrschungstests durch die Gerichte (Verbal elasticity), aber wenn man dies zu weit treibt, gibt es Rückwirkungen auf die Marktbeherrschung in Artikel 82 (derselbe Begriff müsste in zwei Zusammenhängen unterschiedlich verstanden werden),
- Besser war daher der Übergang zum SIEC-Test: die Behinderung des Wettbewerbs ist das entscheidende Kriterium, Marktbeherrschung nur noch das wichtigste Beispiel.
- Ist SIEC dasselbe wie SLC? Manche meinen, die Begriffe seien synonym. Andere sagen, SLC betrachtet, wie viel Wettbewerb verlorengeht, während SIEC darauf schaut, wie viel Wettbewerb nach dem Zusammenschluss noch übrigbleibt. Erwägungsgrund 25 der FKVO gibt erste Hilfe für die Auslegung (maßvolle Weiterentwicklung des alten Marktbeherrschungstests).
Konvergenz EU / USA
- Die Reformen bewirken, dass jetzt eine rechtliche und analytische Konvergenz der Fusionskontrolle erreicht werden kann ("in broad terms").
- Unterschiedliche Ergebnisse sind aber nicht auszuschließen: die Auswirkungen einer Fusion auf die Märkte in den USA und der EU können unterschiedlich sein, dieselben Fakten können von zwei Behörden unterschiedlich bewertet werden und die Verfahren unterscheiden sich noch.