24.02.2004
GWB-Novelle: Kritik Dr. Böges an Pressefusions-Plänen
Deutschland
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Dr. Ulf Böge, Präsident des Bundeskartellamts, hat sich in einem Vortrag vor der Friedrich-Ebert-Stiftung am 28. Januar 2004 in Berlin kritisch mit den Plänen auseinandergesetzt, Zusammenschlüsse im Pressewesen künftig zu erleichtern. Die Grenze, jenseits deren eine Pressefusion beim Bundeskartellamt angemeldet werden muss, soll mit der GWB-Novelle bekanntlich von 25 auf 50 Millionen Euro Gesamtumsatz der betroffenen Unternehmen heraufgesetzt werden. Die Bagatellgrenze von einer Million Euro soll verdoppelt werden. Schließlich soll auch bei Marktmacht eine Fusion möglich sein, wenn die Verleger zwecks Sicherung redaktioneller Unabhängigkeit eine Einschränkung ihrer Dispositionsfreiheit akzeptieren.
Dr. Böge unterzog die drei Hauptargumente, die von den Verlegern für eine Neuregelung ins Feld geführt werden, einer Prüfung:
1. Die Anzeigenerlöse sind eingebrochen, die Zahl der Leser nimmt ab, die Zeitungsverlage stecken in einer wirtschaftlichen Krise, einige sind in ihrer Existenz bedroht
- Vor zwei bis drei Jahren hatten die Verlage noch hervorragende Umsatzrenditen erzielt. Der Abschwung hat nicht alle Verlage in gleicher Weise betroffen. Einige haben vorgesorgt, andere nicht. Der Auswahlprozess entspricht dem marktwirtschaftlichen Prinzip. Man kann nicht mit dem Kartellrecht einer ganzen Branche aus einer konjunkturellen Krise helfen, sonst hätte man nach jeder Krise einen höheren Konzentrationsgrad.
- Das Krisenargument wird hauptsächlich von den großen Verlagen vorgetragen, die aber immer noch über genügend Mittel für Zukäufe verfügen. Von den kleineren Verlagen hört man dergleichen nicht.
2. Das Internet macht den Zeitungen Konkurrenz, das Bundeskartellamt berücksichtigt dies bei der Marktabgrenzung nicht ausreichend.
- Das Bundeskartellamt geht nach dem Bedarfsmarktkonzept vor. Ob das Internet bei Zeitungsmärkten einzubeziehen ist, entscheidet sich im Einzelfall. Allerdings treten oft dieselben Unternehmen als Inhalte-Anbieter mittels Zeitschriften oder über das Internet in Erscheinung. Eine Reduzierung der Marktanteile im Print-Bereich folgt nicht zwangsläufig aus dem Einschluss der Internet-Anteile.
3. Das Kartellrecht setzt den Verlagen zu enge Grenzen, sinnvolle wirtschaftliche Kooperationen verhindert das Bundeskartellamt
- Kooperationen unterhalb eines Zusammenschlusses unterliegen den allgemeinen Regeln und können im Bedarfsfall einzeln freigestellt werden. Dies geschieht auch ("Stellenmarkt Deutschland", 2002).
- Zur Kooperation mittels Fusion: zwischen 1995 und 2002 hat das Bundeskartellamt neunzig Fälle von Fusionen von Tageszeitungen geprüft (aus einer Gesamtzahl von 11.700). Nur in acht Fällen ist die Fusion untersagt worden.
- Genehmigt wurden beispielsweise die Fälle Berliner Zustellungs- und Vertriebsgesellschaft (Gruner + Jahr, Holtzbrinck, Ullstein), MZ Zeitungsservice (2003), ISA (2003).
- Im Gegensatz zu den USA, Frankreich, Großbritannien und Italien sind in Deutschland die Handlungsmöglichkeiten für Presseverlage größer.
Sehr negativ beurteilt Dr. Böge das vorgeschlagene "Redaktionsmodell" (Alteigentümer bleibt mit 25 Prozent beteiligt, behält die Titelrechte und hat ein Vetorecht, wenn es um den Erhalt der Selbstständigkeit geht):
- Der Alteigentümer ist nicht gezwungen, seine Vetorechte auszuüben.
- Zwischen den Publikationen des Erwerbers und der auf diese Weise übernommenen Zeitung findet nur konzerninterner Wettbewerb auf dem gleichen Markt statt. Wie lange wird dies ein Unternehmer akzeptieren?
- Bei solchen Übernahmen würde nicht mehr geprüft, ob die wirtschaftliche Situation des übernommenen Verlages den Zusammenschluss überhaupt notwendig macht.
- Keine Kontrolle der Redaktionen von außen (Verhaltenskontrolle durch das Bundeskartellamt) widerspricht allen bisherigen Grundsätzen, auch der Meinungsneutralität des Kartellrechts und der Pressefreiheit.
Ablehnend zu den Plänen für eine erleichterte Pressefusion hat sich auch Herr Hartmut Schauerte MdB in einem Beitrag für die FAZ vom 17.2.2004 geäußert ("Die Axt im Blätterwald"). Herr Schauerte ist Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die GWB-Novelle.