27.09.2004
Dr. von Rohr (FIW): Vortrag vor dem Berliner Gesprächskreis zum EU-Beihilferecht
EU
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Eigener Bericht
Dr. Hans Christoph von Rohr, Vorsitzender des FIW, hat am 24. September 2004 in Berlin vor dem Berliner Gesprächskreis zum EU-Beihilfenrecht über "Beihilfen und Beihilfenpolitik aus der Sicht der Industrie" referiert. Sein Vortag ist dieser Notiz beigefügt.
Der Berliner Gesprächskreis hat sich vor einigen Jahren konstituiert, um allen, die am Beihilferecht interessiert sind, eine Plattform für den Austausch von Informationen und Meinungen zu bieten. Dies geschieht durch Referate bekannter Experten und durch Diskussionen, aber auch durch halb-öffentliche Vortragsveranstaltungen, die das Verständnis für das Beihilferecht vergrößern sollen.
In seinen Ausführungen ging Herr Dr. von Rohr nicht nur auf die industriepolitische Rolle der Beihilfen ein, sondern griff dabei auch auf seine Erfahrungen mit der Industrieansiedlung in den neuen Bundesländern zurück, die er aus seiner Tätigkeit für den Industrial Investment Council gewonnen hat:
- Das Beihilferecht führt im Wettbewerbsrecht zu Unrecht ein gewisses Schattendasein neben dem Kartellrecht und der Fusionskontrolle, geht es doch um viel Geld und ist doch die Politik sehr stark beteiligt.
- Beihilfen werden oft als stärkstes Argument für die Wirtschaftsförderung herausgestellt, aber für die Investoren ist meist anderes wichtig (sollen durch Beihilfen etwa mangelnde Wettbewerbsfähigkeit oder schlechte Standortfaktoren verdeckt werden?).
- In den neuen Bundesländern ist die Investitionshilfe eher eine Anschubhilfe als eine Dauerunterstützung. Deshalb ist auch die sichere Kalkulierbarkeit der Beihilfe am Ende wichtiger als ihre Höhe. Ein Unternehmen muss sich unbedingt auf die Zusagen verlassen können. Im übrigen gilt: rasches Geld ist gutes Geld.
- Beihilfen sind nicht industrielle Sozialhilfe. Je seriöser der Empfänger, desto besser verzinst sich auch die Beihilfe.
- Überlegenswert wäre eine Verstärkung der Prognoseinstrumente. Dies gelingt am besten, wenn man zunächst einmal eine Erfolgskontrolle anstellt, die heute aber noch kaum durchgeführt wird. Auf diese Weise könnte man für die Vorausschau einiges lernen.
- Bei den Rettungsbeihilfen hat die Kommission manches gut geregelt, aber entscheidend ist hier die schnelle Gewährung: jede Woche, die verstreicht, macht die Sache teurer.
- Die Öffentlichkeit reagiert auf Beihilfen eher phlegmatisch, obwohl doch die Steuerzahler letztlich für die Beträge aufkommen müssen. Bei den Beihilfen für die neuen Länder erregen sich die Empfänger mehr als die Zahler.
- Richtig ist, in den neuen Bundesländern Förderung nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip zu betreiben, sondern "Cluster" zu fördern.
- Stiften Beihilfen am Ende wirklich einen Nutzen, der im akzeptablen Verhältnis zum Aufwand steht? Unternehmen orientieren sich eher an Standortvorteilen als an Beihilfen. In den Checklisten der Investoren rangieren Beihilfen, wenn überhaupt, weit hinten. Zentrale Botschaft muss deshalb sein: Standortreformen sind viel wirksamer als die Bereitstellung von Beihilfen (für ausländische Investoren sind etwa die Arbeitsbeziehungen viel entscheidender als öffentliche Zuschüsse).