26.05.2003
W.E. Kovacic: The Modern Evolution of US Competition Policy Enforcement Norms (Vortrag)
USA
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www.ftc.gov/speeches |
Mr. William E. Kovacic (Koh-wah-sick), Chefjurist (General Counsel) der Federal Trade Commission (FTC), hat sich in einem hoch interessanten Vortrag mit der Entwicklung des amerikanischen Antitrustrechts seit 1960 auseinander gesetzt. Die Lektüre (40 Seiten und 16 Seiten Fußnoten) ist allen zu empfehlen, die besser verstehen wollen, wie sich der heutige Stand der amerikanischen Wettbewerbspolitik herausgebildet hat:
- Die meisten Kommentatoren teilen die jüngere Geschichte der amerikanischen Wettbewerbspolitik in drei Phasen ein: die 60er und 70er Jahre (Too Hot: The Era of Undue Activism), die 70er Jahre (Too Cold: The Era of Inexcusable Retrenchment) und die 90er Jahre (Just Right: The Sensible Moderation).
- Kovacic wendet sich vehement gegen dieses Bild des "Pendelschlages" (the pendulum narrative). Es vermittelt den Eindruck, als hinge das Schicksal der Antitrustpolitik letztlich vom Ausgang einer Präsidentschaftswahl ab. Wenn es so wäre, müsste man sich um die Zukunft und die Stabilität sowie Berechenbarkeit dieser Politik Sorgen machen. In Wahrheit ist die Entwicklung aber wesentlich differenzierter verlaufen. Die Perioden lassen sich weder bei der Verfolgung von Kartellverstößen noch in der Fusionskontrolle so klar abgrenzen, wie es die Pendel-Theorie suggeriert.
- Kovacic belegt seine Gegenthese mit den Zahlen von Fällen, die von den Wettbewerbsbehörden in den vergangenen 40 Jahren aufgegriffen worden sind. Die Zahlen vermitteln allerdings oft ein schiefes Bild. So ist in den 80er Jahren der Grundstein für die Erfolge der Wettbewerbspolitik in den 90er Jahren gelegt worden: durch grundlegende Gerichtsentscheidungen, die von den Behörden erstritten worden sind, aber auch durch deren eigenes Handeln (Beispiel: Merger Guidelines von 1982). Ähnliches gilt für die Zeit der 70er Jahre.
- Kovacic verwertet seine langjährigen Erfahrungen als Mitarbeiter der FTC in leitenden Funktionen. Er erläutert seine Auffassung durch viele Fallbeispiele, so dass sich sein Aufsatz in vielen Passagen wie ein Lehrbuch liest.
- Warum hält sich das Bild von Pendelschlag so hartnäckig? Es ist einfach, die vielen Wiederholungen haben es populär gemacht, und es kann für politische Zwecke instrumentalisiert werden. Es ist aber wichtig, sich davon zu lösen, denn nur so versteht man, dass die amerikanische Wettbewerbspolitik zwar eine Evolution durchgemacht hat, sich die Beurteilungen dabei auch verändert haben, dass aber dieser Prozess viel weniger erratisch verlaufen ist, als manche Beobachter, auch in Europa, glauben.