30.12.2003

Referentenentwurf der 7. GWB-Novelle veröffentlicht

Deutschland
BMWA
7. GWB-Novelle
Referentenentwurf

Kurz vor Weihnachten hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit den Referentenentwurf einer 7. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) freigegeben. An der Grundkonzeption des Vorentwurfes vom September 2003, der breiten Kreisen bekannt geworden war, hat sich nichts geändert. Hinzugekommen sind allerdings Vorschriften, die eine Lockerung der Pressefusionskontrolle bezwecken. Die interne Diskussion darüber hatte das Ministerium bewogen, den Entwurf monatelang zurück zu halten.

Anlass für die Novelle ist das Inkrafttreten der EU-Verordnung 1/2003 über das Kartellverfahren am 1. Mai 2004. Es ist sehr fraglich, ob die Novelle, die das deutsche Recht an diese Verordnung anpassen wird, ebenfalls diesen Stichtag in Kraft gesetzt werden kann.

Der Referentenentwurf in Stichworten:

1. Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

  1. § 1: Das Kartellverbot umfasst künftig nicht nur horizontale, sondern auch vertikale Wettbewerbsbeschränkungen (Übernahme von Art. 81 Abs. 1 EUV). Dies gilt auch für Vereinbarungen, die keine zwischenstaatlichen Auswirkungen haben (Gleichlauf von deutschem und europäischem Recht). Die Missbrauchskontrolle über vertikale Verträge wird insoweit abgeschafft.
  2. § 2: Freistellung mittels einer Generalklausel (Übernahme von Art. 81 Abs. 3 EUV), Wegfall der speziellen Tatbestände des GWB (außer für Mittelstandskartelle, § 3).
  3. § 4: Per-se Verbot der Preisbindung der zweiten Hand, Anpassung an die Vertikal-GFVO (Zulässigkeit von Höchstpreisbindungen und Preisempfehlungen).
  4. Abschaffung des Anmeldesystems (Prinzip der Legalausnahme).

2. Missbrauch von Marktbeherrschung durch wettbewerbsbeschränkendes Verhalten

  1. Das gegenüber Art. 82 EUV strengere deutsche Recht bleibt anwendbar (§§ 19 - 21 GWB), kein Vorrang des europäischen Rechts.
  2. Die Empfehlungsverbote, besonders für Preisempfehlungen, werden aufgehoben. Es gilt europäisches Recht. Mittelstandsempfehlungen bleiben dennoch weitgehend zulässig (Freistellung über § 2 oder über die Vertikal-VO).
  3. § 19 Abs. 2 Satz 2: Räumlicher Markt kann größer als Deutschland sein (Reaktion auf die Praxis des Bundeskartellamtes und des OLG Düsseldorf): dies wird ausdrücklich im Gesetz festgeschrieben.

3. Anwendung des europäischen Wettbewerbsrechts

  1. § 22: Parallele Anwendung deutschen und europäischen Wettbewerbsrechts, im Bereich von Art. 81 darf deutsches Recht nicht zu anderen Ergebnissen führen, wohl aber bei Art. 82 EUV.
  2. § 23: Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechts sind zu berücksichtigen. Dies erfasst nach der Begründung auch Mitteilungen und Bekanntmachungen der Kommission. Eine normative Bindung ist dies allerdings nicht.

4. Ausnahmebereiche

  1. Ausnahmen für Verwertungsgesellschaften und Sport werden gestrichen.
  2. § 28: Ausnahme für die Landwirtschaft bleibt erhalten.
  3. § 29: Modifizierungen bei Banken und Versicherungen.

5. Befugnisse der Kartellbehörden

  1. Keine Befugnis zur Entflechtung von Unternehmen (anders als in Art. 7 Abs. 2 VO 1/03),
  2. § 32: Modifizierung der Untersagungen (positive Tenorierung möglich),
  3. § 32 a: Übernahme der Regelung über einstweilige Maßnahmen,
  4. § 32 b: Übernahme der Verpflichtungszusagen,
  5. § 32 c: Übernahme der Entscheidung, wonach kein Anlass zum Tätigwerden besteht (Begründung: nur deklaratorisch, kein Anspruch, Ermessen des Bundeskartellamtes, aber gleichwohl Hilfe für kleinere Unternehmen),
  6. § 32 d: Möglichkeit des Entzuges einer Gruppenfreistellung,
  7. § 32 e: Enquete-Befugnis des Bundeskartellamtes als Ausgleich für den Wegfall der Anmeldungen.

6. Sanktionen

  1. § 33: Unterlassungsanspruch des Betroffenen (= Beeinträchtigter), kann auch von Gewerbeverbänden und Verbraucherverbänden erhoben werden,
  2. § 33: Schadensersatzanspruch bei Vorsatz und Fahrlässigkeit, nur vom Betroffenen geltend zu machen, gerichtet auf Schadensersatz oder entgangenen Gewinn, Bindung des Gerichts an rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte und Kartellbehörden der EU und der Mitgliedsstaaten, keine passing-on-defence,
  3. § 34, 34 a: Vorteilsabschöpfung primär durch die Kartellbehörden, subsidiär auch durch Verbände unter Anrechnung von Schadensersatz, rückwirkend nur für 5 Jahre, gemildert durch Härte- und Bagatellklausel, Verbände müssen Erlös nach Abzug von Aufwendungen an das Bundeskartellamt abführen.

7. Fusionskontrolle

  1. Ergänzung der Novelle bleibt vorbehalten, wenn die Änderungen der europäischen Fusionskontrollverordnung beschlossen sind,
  2. § 35 Abs. 2 Satz 2, 38 Abs. 3: Bei Pressefusionen wird die Bagatellmarktklausel auf 2 Mio. Euro erhöht, der Multiplikator für die Umsatzerlöse von Verlagen hingegen halbiert (10 statt 20),
  3. § 36: Pressefusion auch bei Marktbeherrschung möglich, wenn eine Zeitung langfristig erhalten bleibt, der Erwerber die Titelrechte nicht erhält und er nicht allein den Kurs der Zeitung bestimmen kann,
  4. § 65: Anfechtung von Verfügungen (Freigaben nach § 40) oder einer Ministererlaubnis im Wege des einstweiligen Rechtschutzes nur, wenn der Dritte in seinen Rechten verletzt ist.

8. Zusammenarbeit der Kartellbehörden (Netzwerk)

  1. § 50 a: Informationsaustausch (entspricht Art. 12 VO 1/03),
  2. § 50 b: Zusammenarbeit mit ausländischen Wettbewerbsbehörden, auch außerhalb der EU, etwa bei der Fusionskontrolle,
  3. § 50 c: Allgemeine Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden mit anderen deutschen Behörden, etwa den Regulierungsbehörden.

9. Bußgelder

  1. Keine Gewinnabschöpfung durch Bußgelder mehr, sondern nur noch Ahndung von Verstößen,
  2. § 81: Regelbußgeld vervierfacht (von 500.000 Euro auf 2 Mio. Euro), Bußgeld auch neben Gewinnabschöpfung möglich, Verzinsung des Bußgeldes ab Verhängung,
  3. § 82: Selbstständiges Bußgeldverfahren gegen juristische Personen oder Verbände (nicht mehr nur Ausnahme, § 30 OWiG wird unanwendbar),
  4. § 86 a: Zwangsgelder pro Tag 1.000 bis 100.000 Euro.

10. Übergangsvorschrift

Administrative Freistellungen von Verträgen oder von Wettbewerbsregeln gelten nur noch für 1 Jahr ab Inkrafttreten der Novelle.