16.10.2003
Kommission stellt "Modernisierungspaket" zur Diskussion
EU
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Die Generaldirektion Wettbewerb hat Anfang Oktober 2003 die Entwürfe von 6 Bekanntmachungen veröffentlicht. Sie beziehen sich auf die neue Kartellverfahrensverordnung 1/2003, deren Anwendung ab Mai 2004 sie erläutern sollen. Alle Interessenten können bis Anfang Dezember 2003 zu den Entwürfen Stellungnahmen bei der GD Wettbewerb einreichen.
Es handelt sich um zwei Bekanntmachungen für das Netzwerk der Wettbewerbsbehörden und ihre Zusammenarbeit mit den Gerichten, zwei Bekanntmachungen über den "Publikumsverkehr" (Beratungsschreiben und Beschwerden) und zwei Bekanntmachungen zum materiellen Recht, nämlich zur Zwischenstaatlichkeitsklausel des Artikel 81 Abs. 1 und zur Auslegung von Artikel 81 Abs. 3 EU-V.
Nachfolgend wird ein kurzer Überblick über die wesentlichen Inhalte der sechs Entwürfe gegeben.
Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden
Es gilt das Prinzip der parallelen Zuständigkeiten. Ein Kartellverstoß kann von den NWBen wie auch von der Kommission verfolgt werden (8). Dabei soll die "gut geeignete Behörde" (besser im englischen Text: best placed authority) tätig werden (8):
- Wo wirkt sich der Verstoß aus?
- Kann die Behörde die Zuwiderhandlung wirksam beenden?
- Kann sie die dafür erforderlichen Beweise erheben?
Dies kann auf mehrere NWBen zutreffen. Werden in einem Fall mehr als drei tätig (oder sind für den Fall zuständig), so ist die Kommission "besonders gut geeignete Behörde" (14). Es gibt aber auch drei andere Szenarien, in denen die Kommission sich des Falles annehmend darf:
- Er ist für die Weiterentwicklung der Wettbewerbspolitik wichtig,
- dies erfordert die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln (die NWB verschleppt das Verfahren),
- der Fall ist mit anderen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts verknüpft (15).
Dies funktioniert nur, wenn man sich gegenseitig unterrichtet, nämlich vor oder kurz nach der ersten Ermittlungshandlung (17). Dann bleibt noch Zeit für Korrekturen. Sie sollten im Regelfall zwei Monate nach der Unterrichtung vorgenommen sein (18). Die Neuverteilung wird den Betroffenen mitgeteilt (34).
Im Übrigen gibt die VO 1/03 (Artikel 13) einer NWB das Recht der Aussetzung oder Einstellung, wenn eine andere NWB mit dem Fall beschäftigt ist. Auch auf diese Weise kann eine rationale Verteilung der Zuständigkeiten erreicht werden (22), doch ist keine NWB zu einem solchen Verzicht auf ihre Tätigkeit verpflichtet (22).
Der Wert eines Netzwerks besteht vor allem im leichteren Austausch von Informationen. So soll jede NWB den anderen Material zur Verfügung stellen dürfen, das für die Anwendung der EU-Wettbewerbsvorschriften brauchbar ist (26). Allerdings müssen dabei Geschäftsgeheimnisse respektiert werden (28). Auch unterliegen die Informationen einer Zweckbindung (28b). Schließlich müssen die Verteidigungsrechte natürlicher Personen beachtet werden, wenn Informationen in Länder gelangen, in denen Einzelpersonen wegen Kartellverstößen mit Kriminalstrafen belegt werden können (28c).
Im Netzwerk redet man nicht nur, sondern hilft auch einander. Jede NWB kann eine andere um Unterstützung bei der Erhebung von Informationen ersuchen, die für die Verfolgung von Kartellverstößen notwendig sind (29). Dies gilt auch für die Kommission im Verhältnis zu den NWBen (30).
Was gilt für die Kronzeugenregelung? Sie muss bei jeder Behörde, die für den Fall zuständig sein könnte, einzeln beantragt werden, und zwar möglichst gleichzeitig (38). Es gibt keine Erstreckungswirkung. Werden andere NWBen allerdings von einem solchen Antrag unterrichtet, dürfen sie die beigefügten Informationen nicht benutzen, um selbst schnell ein Verfahren einzuleiten (39). Im Übrigen ist die Weiterleitung von Beweismitteln, die der Antragsteller übergibt, nur mit seiner Zustimmung zulässig (40). Davon gibt es aber Ausnahmen:
- Bei der empfangenen Behörde hat das Unternehmen ebenfalls einen Kronzeugenantrag gestellt.
- Die empfangene Behörde verpflichtet sich, die Information nicht zu benutzen, um gegen den Antragsteller (oder die in den Antrag eingeschlossenen Personen) Strafen zu verhängen.
- Was eine NWB nach Artikel 22 Abs. 1 VO 1/03 erhebt, kann sie an andere weitergeben (41).
Im Netzwerk bemüht man sich um die kohärente Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts. Die VO 1/03 verpflichtet die NWBen, der Kommission 30 Tage vorher den Inhalt einer beabsichtigten Entscheidung mitzuteilen. Rührt sich die Kommission nicht, kann die NWB entscheiden (46). In Eilfällen kann die Frist verkürzt werden (47).
Die Kommission kann aber auch den Fall selbst übernehmen. Dann entfällt nach der VO 1/03 die Zuständigkeit der NWB (51). Will die Kommission einer NWB den Fall entziehen, muss sie sie vorher konsultieren. Sie greift zu diesem Mittel nur in fünf Situationen (54):
- Es drohen einander widersprechende Entscheidungen mehrerer NWBen,
- die Entscheidung würde in Widerspruch zu europäischer Rechtsprechung stehen,
- die NWB zieht das Verfahren unangemessen in die Länge,
- die Kommissionsentscheidung ist zu weiterer Entwicklung des Wettbewerbsrechts erforderlich,
- die NWB erhebt keine Einwände gegen die Übernahme.
Die NWBen können den Beratenden Ausschuss mit einer solchen Übernahme befassen (56), der aber dazu nur eine informelle Erklärung abgeben kann (62). Im Übrigen kann die Kommission alle Fälle von NWBen, bei denen Artikel 81 oder 82 angewendet werden, auf die Tagesordnung des Beratenden Ausschusses setzen. Der Ausschuss kann dazu allerdings nicht formell Stellung nehmen (61). Bei formellen Entscheidungen der Kommission (Artikel 7-10, 23, 24 Abs. 2, 29 Abs. 2 VO 1/03) muss die Kommission hingegen die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses soweit wie möglich berücksichtigen.
Bekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag
Die nationalen Gerichte sind an das EG-Recht gebunden, sie wenden das Wettbewerbsrecht (Artikel 81 ff.) einschließlich der Verordnungen an. Bekanntmachungen, Mitteilungen und Leitlinien sind nur Orientierungshilfen (7, 8). Bei der Anwendung europäischen Rechts müssen die nationalen Gerichte beachten:
- Ist ein Fall bei der Kommission und bei einem nationalen Gericht anhängig, besteht die Gefahr, dass das Gericht sich mit einer Entscheidung, die von der Kommission beabsichtigt wird, in Widerspruch setzt. Damit dies nicht geschieht, soll das Gericht sich bei der Kommission nach dem Stand der Sache erkundigen. Es kann das Verfahren aussetzen, bis die Kommission entschieden hat. Besteht die Gefahr des Widerspruchs nicht, kann das Gericht den Fall entscheiden (12).
- Hat die Kommission früher als das Gericht entschieden, ist das Gericht daran gebunden. Will es abweichen, ist dafür eine Vorlage an den EuGH nötig. Wird die Entscheidung der Kommission angefochten, sollte das Gericht ebenfalls nicht selbst entscheiden, sondern mittels Aussetzung seines Verfahrens abwarten (13).
Die Bekanntmachung behandelt ausführlich die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Gerichten. Dabei kann die Kommission auf Ersuchen des Gerichts oder unaufgefordert tätig werden:
- Bittet ein Gericht die Kommission um Hilfe, ist die Kommission dazu verpflichtet. Sie kann Informationen übermitteln oder zu Rechtsfragen Stellung nehmen. Das Gericht kann dies, muss es aber nicht berücksichtigen (17, 19). Ersuchen um Information will die Kommission innerhalb eines Monats - unter Respektierung von Geschäftsgeheimnissen - erledigen, Stellungnahmen zur Anwendung europäischen Rechts innerhalb von vier Monaten abgeben (23, 28).
- Nach Artikel 15 VO 1/2003 können die Kommission und die NWBen die Gerichte schriftlich und mündlich unterstützen (31), die Kommission aber nur, wenn es zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts notwendig ist (32). Zur Vorbereitung einer Stellungnahme kann die Kommission das Gericht um Kopien der relevanten Dokumente aus den Prozessakten bitten (33). Einen mündlichen Vortrag der Kommission oder NWB muss das Gericht gestatten (31).
Schließlich beschreibt die Bekanntmachung, wie das Gericht der Kommission bei Nachprüfungen helfen soll. Die Durchsuchung von Geschäftsräumen kann nach nationalem Recht die Genehmigung des Gerichts erfordern. Sie kann von der Kommission vorsorglich beantragt werden, wenn Widerstand zu erwarten ist (39). Bei der Nachprüfung in Privaträumen schreibt die VO 1/03 selbst die Genehmigung des Gerichts vor. Das Gericht darf dann aber nur die Echtheit der Kommissionsentscheidung prüfen und ob die Zwangsmaßnahmen weder willkürlich noch unverhältnismäßig sind, nicht aber die Rechtmäßigkeit (40, 41).
Bekanntmachung über informelle Beratung bei neuartigen Fragen zu den Artikeln 81, 82 EG-Vertrag, die in Einzelfällen auftreten
VO 1/03 hat das Anmeldesystem abgeschafft, damit sich die Kommission besser auf die Verfolgung schwerwiegender Kartellverstöße konzentrieren kann. Grundsätzlich müssen die Unternehmen selbst die Rechtmäßigkeit ihrer Vereinbarungen oder ihres Verhaltens beurteilen. In besonderen Fällen können sie sich aber bei der Kommission Rat holen. Sie erhalten dann ein "Beratungsschreiben" (guidance letter). Die Kommission betont, dass sie diese informelle Beratung nur erteilen wird, soweit dies mit ihren prioritären Aufgaben vereinbar ist (7, 8).
Die Kommission "erwägt, ob es angebracht ist", ein Beratungsschreiben zu erteilen, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind - Neuheit der Fragestellung, Zweckmäßigkeit und präsente Tatsachen (9):
- Eine Rechtsfrage, die sich weder mit Hilfe der EG-Regelungen noch anhand der Auslegungshilfen (Rechtsprechung, Entscheidungspraxis oder frühere Beratungsschreiben) klären lässt,
- die Klärung ist zweckmäßig: angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung für die Verbraucher, der Verbreitung der Vereinbarung oder des Umfangs der Investitionen im Verhältnis zur Größe der beteiligten Unternehmen,
- die Tatsachen ergeben sich aus dem Antrag, weitere Feststellungen sind nicht erforderlich (die Kommission kann aber aus öffentlichen Quellen, früheren Verfahren oder sonstigen Quellen Informationen heranziehen, oder das Unternehmen um zusätzliche Informationen bitten, (16)).
Kein Beratungsschreiben gibt es in folgenden Fällen:
- Hypothetische Frage (11),
- der Fall ist bereits bei einem europäischen Gericht anhängig (10),
- der Fall ist bereits bei der Kommission, einem nationalen Gericht oder einer anderen NWB anhängig (10).
Das Beratungsschreiben bindet deshalb auch die Gemeinschaftsgerichte, die nationalen Gerichte und die NWBen nicht. Die Kommission ist ebenfalls nicht gebunden, wird aber dem Schreiben "Rechnung tragen", wenn sie mit einer Beschwerde zum gleichen Sachverhalt befasst wird (24-26).
Bekanntmachung über die Behandlung von Beschwerden durch die Kommission gemäß Artikel 81, 82 EG-Vertrag
Die Bekanntmachung erläutert zunächst, dass ein betroffenes Unternehmen zwischen der Klage vor einem nationalen Gericht und der Beschwerde bei der Kommission wählen kann (5). Eine Klage hat verschiedene Vorteile (16):
- Das nationale Gericht kann Schadensersatz zuerkennen.
- Es kann über Zahlungspflichten und die Einhaltung anderer rechtlicher Verpflichtungen sowie über die Nichtigkeitsfolgen entscheiden.
- Das Gericht kann leichter als die Kommission einstweiligen Rechtsschutz gewähren.
- Die obsiegenden Partei erhält die Verfahrenskosten erstattet, was im Verwaltungsverfahren vor der Kommission ausgeschlossen ist.
Wichtig ist, dass die Kommission bei der Prüfung des Gemeinschaftsinteresses an einer Beschwerde berücksichtigen will, ob der Beschwerdeführer seine Rechte durch Klage vor dem nationalen Gericht sichern kann (17).
Für die Beschwerde gelten die parallelen Zuständigkeiten der Kommission und der NWBen. Hier wird auf die Bekanntmachung zum Netzwerk Bezug genommen (19-23). Der Beschwerdeführer sollte danach zunächst selbst prüfen, welche Wettbewerbsbehörde für den Fall am besten geeignet ist (24).
Die Kommission darf eingegangene Beschwerden unterschiedlich schnell bearbeiten, wobei der Grad des Gemeinschaftsinteresses an dem Fall über die Priorität entscheidet (28, 41). Im Übrigen muss die Beschwerde auf dem Formblatt C (Anhang zur Bekanntmachung) eingereicht werden (29).
Die Kommission prüft, ob der Beschwerdeführer ein berechtigtes Interesse darlegen kann, was meist nicht zweifelhaft sein wird (33, 34). Verbände können sich beschweren, dürfen sich dabei aber nicht lediglich auf das Gemeinwohl berufen, sondern müssen darlegen, dass Mitglieder durch die Zuwiderhandlung unmittelbar verletzt worden sind oder verletzt werden können (38).
Das Gemeinschaftsinteresse schätzt die Kommission nach folgenden Kriterien ein (44):
- Kann der Beschwerdeführer sein Recht vor nationalen Gerichten einklagen?
- Wie gewichtig sind die beanstandeten Zuwiderhandlungen und wie wirken sie sich auf die Wettbewerbsverhältnisse in der Gemeinschaft aus?
- Wie schwierig ist der Nachweis, wie umfangreich sind die notwendigen Ermittlungen?
- Wie fortgeschritten ist die Untersuchung?
- Ist das beanstandete Verhalten inzwischen eingestellt worden?
- Ist das beschuldigte Unternehmen zu einer Verhaltensänderung bereit?
Die Kommission ist nicht verpflichtet, zu jeder Beschwerde eigene Ermittlungen anzustellen. Es ist Aufgabe des Beschwerdeführers, die Beweismittel zu benennen (47, 53). In einer ersten Phase prüft die Kommission, wie mit der Beschwerde zu verfahren ist, und beschließt dann, ob die Beschwerde zurückgewiesen oder ein Verfahren gegen das betroffene Unternehmen eingeleitet wird (55, 56).
Der Beschwerdeführer erhält wie das beschuldigte Unternehmen die Beschwerdepunkte und kann sich dazu äußern. Die Kommission kann ihn auch auf seinen Antrag hin zur Anhörung zulassen (64, 65). Für die Behandlung vertraulicher Informationen des Beschwerdeführers gibt es besondere Regeln (66-68).
Vor einer Zurückweisung der Beschwerde kann sich der Beschwerdeführer noch einmal zu dieser Absicht der Kommission äußern (69), er darf dafür auch Akteneinsicht nehmen (70). Hält der Beschwerdeführer Fristen nicht ein, die ihm die Kommission setzt, so gilt die Beschwerde als zurückgezogen (71). Eine abweisende Entscheidung muss die Kommission begründen (75).
Im Beschwerdeverfahren kann die Kommission einstweiligen Rechtsschutz gewähren (81).
Bekanntmachung von Leitlinien über den Begriff des zwischenstaatlichen Handels in den Artikeln 81, 82 EG-Vertrag
Das Merkmal der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels scheidet den Bereich des Gemeinschaftsrechts von dem des nationalen Rechts. Nach der Rechtsprechung des EuGH muss eine Vereinbarung oder Verhaltensweise geeignet sein, den zwischenstaatlichen Handel spürbar zu beeinträchtigen - Rechtssache Béguelin, 1971 (12, 13).
Die Leitlinien kommentieren anhand der europäischen Rechtsprechung drei Merkmale: den Handel zwischen den Mitgliedstaaten, die Eignung zur Beeinträchtigung und die Spürbarkeit. Dabei bietet das Merkmal des Handels wenig Probleme, denn es werden alle grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Tätigkeiten erfasst (19). Die Eignung zur Beeinträchtigung versteht der EuGH sehr umfassend, nämlich als unmittelbare oder mittelbare, tatsächliche oder potenzielle Beeinflussung des Warenverkehrs (23). Dafür genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (26). Es kommt auf verschiedene Faktoren an: Art der Vereinbarung oder des Verhaltens, die Produktion sowie Stellung und Bedeutung der beteiligten Unternehmen (28). Dies wird im Einzelnen an einigen Beispielen erläutert.
Neu ist, dass die Leitlinien die Spürbarkeit quantitativ definieren:
- Der gemeinsame Marktanteil der beteiligten Unternehmen überschreitet auf einem relevanten Markt innerhalb der Gemeinschaft nicht 5 %, und
- der Jahresumsatz mit den erfassten Produkten in der Gemeinschaft übersteigt nicht 40 Millionen Euro (horizontale Vereinbarungen). Bei vertikalen Vereinbarungen kommt es auf den Lieferanten, bei Bezugsvereinbarungen auf den Abnehmer an (52).
Werden diese Schwellen überschritten, spricht eine positive Vermutung für eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels. Aber auch unterhalb der Schwellenwerte kann im Einzelfall eine Beeinträchtigung angenommen werden (53). Die Kommission betont, dass es nicht möglich ist, allgemeine quantitative Regeln aufzustellen, so dass es stets noch auf die konkreten Umstände ankommt (50). Des Weiteren werden dann die Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung und Vereinbarungen erläutert, die in mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt werden (Vereinbarungen über Einfuhren und Ausfuhren, Kartelle, horizontale Zusammenarbeit, vertikale Vereinbarungen). Es schließt sich die Untersuchung an, wie Vereinbarungen und Verhaltensweisen zu beurteilen sind, die nur einen Mitgliedstaat oder einen Teil eines Staates betreffen. Da potenzielle Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel ausreichen, werden horizontale Vereinbarungen für das gesamte Gebiet eines Mitgliedstaates in der Regel unter Artikel 81 fallen (78, 80). Bei horizontalen Vereinbarungen, insbesondere bei Nicht-Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen, für einen einzigen Mitgliedstaat sind dagegen in der Regel genauere Untersuchungen notwendig (83). Bei vertikalen Vereinbarungen kommt es auf den Abschottungseffekt an (86).
Abschließend werden Vereinbarungen und Verhaltensweisen untersucht, die sich auf einen Drittstaat beziehen. Einfuhren aus solchen Ländern können den innergemeinschaftlichen Warenverkehr berühren (98 ff.). Auch Ausfuhrvereinbarungen können allerdings den innergemeinschaftlichen Warenverkehr beeinträchtigen (103).
Bekanntmachung von Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Abs. 3 EG-Vertrag
Die Leitlinien beschreiben zunächst den allgemeinen Rahmen von Artikel 81 (7 ff.) und behandeln ausführlich das Kartellverbot nach Abs. 1 (12 ff.), bevor die Freistellungsvoraussetzungen des Abs. 3 dargestellt werden (28 ff.). Abs. 3 hat vier Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen (30):
- Beitrag zur Verbesserung der Warenerzeugung oder -Verteilung oder zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts,
- angemessene Beteiligung der Verbraucher,
- Unerlässlichkeit der Beschränkungen,
- keine Ausschaltung des Wettbewerbs für einen wesentlichen Teil der betreffenden Waren.
Das Gewicht und die praktische Bedeutung der Leitlinien liegen in den Ausführungen zu den Effizienzgewinnen (erstes Kriterium, 43 ff.), für die Folgendes gilt:
- Ein Vorteil wird objektiv, nicht vom Standpunkt der Parteien aus beurteilt (44),
- es muss einen kausalen Zusammenhang zwischen der Vereinbarung und diesem Gewinn geben (45),
- der Gewinn muss begründet werden: Art, Kausalität, Wahrscheinlichkeit, Ausmaß, Kosten (46), wobei nur Nettogewinne zu berücksichtigen sind (50).
Dann werden einzelne Arten dargestellt. Kosteneinsparungen können sich durch neue Produktionstechniken, durch Synergien, durch Größenvorteile oder durch Verbundvorteile ergeben (56-59). Gewinne können besonders in Form neuer und besserer Produkte entstehen (61 ff.).
Sodann wird untersucht, wann die Wettbewerbsbeschränkung für die Erzielung des Gewinns unerlässlich ist (64 ff.). Können durch die Vereinbarung die Tätigkeiten effizienter durchgeführt werden, als dies ansonsten der Fall gewesen wäre? Werden mit der Vereinbarung oder Beschränkung mehr Gewinne als ohne sie erzielt (65)? Dabei müssen die Unternehmen erläutern, warum realistische und weniger wettbewerbsbeschränkende Alternativen auch weniger effizient wären (66, 67). Je stärker die Wettbewerbsbeschränkung, desto strenger soll die Prüfung sein. Was in einer schwarzen Liste steht, kann nur unter außergewöhnlichen Umständen als zulässig angesehen werden (69).
An den Gewinnen müssen die Verbraucher - dies sind alle Nutzer - angemessen beteiligt werden (72 ff.). Dabei geht es um den Gesamtgewinn. Die negativen Auswirkungen müssen dadurch zumindest ausgeglichen werden (75). Künftige Gewinne sind zu diskontieren (76).
Wie wahrscheinlich es ist, dass die Vorteile an die Verbraucher weitergegeben werden, entscheidet sich nach Maß und Art des verbleibenden Wettbewerbs (85). Auch der potenzielle Wettbewerb ist in eine Untersuchung dieses Wettbewerbsdrucks einzubeziehen (97). Dies erfordert eine Untersuchung der Zutrittsschranken zum Markt (103 ff.).