25.03.2003
EU-Studie zur Regelung freier Berufe
EU
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www.europa.eu.int/comm/competition |
Das Institut für Höhere Studien in Wien hat für die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission eine Studie "Wirtschaftliche Auswirkungen einzelstaatlicher Regelungen für freie Berufe - Regelung der freiberuflichen Tätigkeit" vorgelegt. Sie besteht aus einer Zusammenfassung (9 Seiten), dem Bericht (141 Seiten), Fallstudien (27 Seiten) und Anhängen (49 Seiten). Die Zusammenfassung ist in allen Amtssprachen veröffentlicht, die übrigen Teile nur in englisch.
Behandelt werden 4 Bereiche: Juristische Dienstleistungen (Rechtsanwälte und Notare), Wirtschaftsberater und Steuerberater, Tätigkeiten auf technischem Gebiet (Architekten, Ingenieure) sowie Apotheker. Es geht um die Frage, "in welchem Ausmaß und in welchen Bereichen die Regelungen in den einzelnen Ländern voneinander abweichen und vor allem welche wirtschaftlichen Auswirkungen die ...Unterschiede nach sich ziehen". Das Material wurde durch die Auswertung anderer Studien und Materialien, aber auch durch eine Fragebogenaktion und durch Fallstudien gewonnen.
Die Studie kommt zu folgenden wesentlichen Ergebnissen, die im Einzelnen ausführlich belegt werden:
- Zu den Ländern mit einem hohen Regulierungsgrad bei sämtlichen Berufen zählen Österreich, Italien, Luxemburg sowie (mit einigen Ausnahmen bei der freiberuflichen Tätigkeit auf technischem Gebiet) Deutschland und Frankreich (und vielleicht auch noch Griechenland). Belgien, Spanien (und vielleicht auch Portugal) scheinen der mittleren Kategorie zuzugehören, während das Vereinigte Königreich, Schweden (mit Ausnahme der Pharmazeuten), die Niederlande, Irland, Finnland und Dänemark (auch dieses mit Ausnahme der Pharmazeuten) recht liberale Regelungssysteme besitzen (zumindest im EU-Vergleich).
- Bei den juristischen Dienstleistungen (Rechtsanwälte) lassen sich sämtliche Regulierungsstufen des Marktzugangs feststellen. Gleiches gilt auch für die Verhaltensvorschriften. Dies führt zu einer starken Streuung der Gesamtregelungsindizes: von sehr niedrig (Schweden und Finnland) bis sehr hoch (Griechenland, Österreich, Frankreich, Spanien, Deutschland und andere).
- Neben einem allgemeinen Überblick über den Ordnungsrahmen für freie Berufe in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hält die Studie zugleich für jeden Beruf detaillierte Fallstudien bereit. Sie umfassen eine Kombination von Ländern mit niedrigem und mit hohem Regulierungsgrad. In diese Gruppe von Mitgliedstaaten wurden aufgenommen: für die juristischen Dienstleistungen (Rechtsanwälte und Notare) Dänemark, das Vereinigte Königreich/England und Wales, Italien, Deutschland und Frankreich; für die wirtschafts- und steuerberatenden Berufe (Wirtschaftsprüfer, Buchhalter und Steuerberater) Italien, die Niederlande, Deutschland und Frankreich; für die freiberufliche Tätigkeit auf technischem Gebiet (Architekten und beratende Ingenieure) Österreich, Finnland, Frankreich und Spanien und für die pharmazeutischen Dienstleistungen (Apotheker) Irland, Portugal, Schweden und Deutschland.
- In Ländern mit hohem Regulierungsgrad (Verhalten und Marktzugang) sind, gemessen an der Anzahl der praktizierenden Freiberufler, verhältnismäßig hohe Umsätze aus den Einnahmen (Honoraren) zu verzeichnen. Ein Zusammenhang zwischen dem Geschäftsvolumen je freiberuflich Tätiger und dem zusätzlichen Gewinn (verglichen mit dem Ergebnis bei weniger restriktivem Wettbewerb) darf vermutet werden, wenn auch mangels konkreter Gewinnangaben nur indirekt. Dass dieser Effekt unterschiedlichen Technologien oder anderen Produktivitätsvorteile begründenden Faktoren zuzuschreiben ist, erscheint unwahrscheinlich.
- In Ländern mit niedrigem Regulierungsgrad (Verhalten und Marktzugang) sind lediglich proportional zur Anzahl der praktizierenden Freiberufler niedrigere Erlöse aus den Einnahmen (Honoraren) zu verzeichnen. Diese Aussage trifft auch auf Berufe und Länder zu, in denen das Gesamtgeschäftsvolumen der Praxis höher ausfällt. Somit können wir davon ausgehen, dass eine geringe Regulierung kein Hindernis, sondern vielmehr Ansporn zur Wertschöpfung ist.
- In Berufen und Ländern mit einem niedrigen Regulierungsniveau besteht eine Tendenz zum "Gesundschrumpfen" des Marktes, die das Entstehen größerer Unternehmenseinheiten möglich macht. Abgesehen von den wirtschafts- und steuerberatenden Berufen ist dieser Effekt bei den untersuchten Berufen nicht mit einem ungewöhnlich hohen Geschäftsvolumen (pro Kopf) und einer hohen Marktkonzentration verbunden.
- Bei den juristischen Dienstleistungen, den wirtschafts- und steuerberatenden Berufen und in der freiberuflichen Tätigkeit auf technischem Gebiet wurde eine negative Korrelation zwischen Regulierungsgrad und Produktivität festgestellt. Da die Maßzahl des Volumens Unterschiede im Preisniveau und in der Gesamtproduktion der Volkswirtschaften unberücksichtigt lässt und da anscheinend weder technologische Unterschiede zwischen den Ländern noch ein geringeres Beschäftigungsniveau als entscheidene Ursache höherer Produktivität in Betracht kommen, könnte diese Korrelation auch auf ein geringeres Produktionspotenzial bei den stark reglementierten Ländern und Berufen hindeuten.
Kommissar Monti hat zu der Studie in einem Vortrag am 21. März 2003 vor der Bundesrechtsanwaltskammer in Berlin Stellung genommen (dazu besonderer Beitrag).