09.09.2003

Ergänzendes Sondergutachten der Monopolkommission zur Berliner Pressefusion (Tagesspiegel/Berliner Zeitung)

Deutschland
Monopolkommission
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www.mononpolkommission.de

Die Holtzbrinck-Gruppe will von der Gruner+Jahr-Gruppe den Berliner Verlag erwerben. Damit wären die beiden großen Tageszeitungen Tagesspiegel und Berliner Zeitung unter einem Dach vereinigt. Wegen der Gefahr der Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung hatte das Bundeskartellamt die geplante Fusion untersagt. Holtzbrinck hat daraufhin eine Ministererlaubnis nach § 42 GWB beantragt. Dem Vernehmen nach will Minister Clement noch im September 2003 darüber entscheiden. Am 8. September 2003 sind die Beteiligten noch einmal im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit angehört worden.

Die Monopolkommission hatte sich in einem ersten Sondergutachten im April 2003 kritisch zu dem Zusammenschluss geäußert. Das BMWA hat die Monopolkommission über die seither eingetretenen Entwicklungen unterrichtet und ihr anheim gestellt, sich dazu in einem weiteren Gutachten zu äußern. Davon hat die Monopolkommission Gebrauch gemacht. Das ergänzende Gutachten vom 1. September 2003 (45 Seiten) und eine erläuternde Pressemeldung sind auf der Website abrufbar.

Holtzbrinck hatte vorgetragen, dass der notleidende Tagesspiegel nur erhalten werden könne, wenn die Gewinn bringende Berliner Zeitung hinzu erworben werden könne, weil dann - bei vorgesehener redaktioneller Unabhängigkeit der beiden Zeitungen - durch Synergien die wirtschaftliche Grundlage des Tagesspiegels verbessert würde. Da der Tagesspiegel nicht an einen Dritten zu veräußern sei, bliebe nur die Fusion, die damit der Pressevielfalt in der Hauptstadt, einem "überwiegenden Interesse der Allgemeinheit" (so § 42 GWB), diene.

Wäre der Tagesspiegel zu veräußern, bildete dies gegenüber der Fusion mit der Berliner Zeitung das mildere Mittel. Dieser Umstand ist deshalb für das BMWA entscheidungserheblich. Holtzbrinck hatte in den vergangenen Monaten einen Verkaufversuch unternommen, um den Negativbeweis zu erbringen. Die Monopolkommission beschäftigt sich in diesem Zusammenhang mit drei Fragestellungen:

1. Was ist von den Vorgaben des Ministeriums an Holtzbrinck für das Verfahren der Suche nach einem Käufer zu halten?

2. Wie steht es mit der Seriösität des eingegangenen Angebotes des Heinrich Bauer Verlages?

3. Wie ist die Bestandsgarantie für den Tagesspiegel zu beurteilen, die Holtzbrinck für den Fall der Fusion in Aussicht gestellt hat?

Für das Verfahren hatte das BMWA Holtzbrinck drei Vorgaben gemacht: dauerhafte Erhaltung des Tagesspiegels als Abonnement-Zeitung durch den Erwerber, keine Umwandlung in die Lokalausgabe einer anderen, in Berlin erscheinenden Zeitung, Absicherung durch eine Vertragsstrafe in angemessener Höhe. Die nähere Präzisierung der Bedingungen blieb Holtzbrinck und der Investment Bank Sal. Oppenheim überlassen. Die Monopolkommission rügt den großen Spielraum, den das Ministerium auf diese Weise dem Interessenten Holtzbrinck gelassen hat. Denkbar wäre sogar gewesen, dass das Ministerium die Suche selbst in die Hand genommen hätte.

Am Ende der Suche, bei der zunächst 35 Interessenten ins Auge gefasst worden waren, blieben nur 2 Angebote übrig, wobei die Econa AG ihr Angebot schließlich noch zurückzog. Der Heinrich Bauer Verlag bot hingegen 20 Millionen Euro, eine Bestandsgarantie von 5 bis 7 Jahren und eine Vertragsstrafe von 10 Millionen Euro. Holtzbrinck bezeichnete dieses Angebot als nicht ernst zu nehmend, das Bankhaus nahm dazu auf Anfrage des BMWA ausdrücklich keine Stellung.

Schließlich befasst sich die Monopolkommission mit der Bestandszusage durch Holtzbrinck für den Tagesspiegel, die auf 20 Jahre gegeben und durch ein Stiftungsmodell abgesichert werden soll. Dieses Modell untersucht die Monopolkommission eingehend und kommt zu dem Schluss, dass Holtzbrinck sich bei Inkaufnahme von Verlusten, die von der Monopolkommission als gering eingestuft werden, davon lösen oder jedenfalls Nachverhandlungen unter veränderten wirtschaftlichen Umständen verlangen könnte.

Die Monopolkommission unterstreicht in einer Schlussbemerkung ausdrücklich, dass sie sich der allgemeinen Krise der Zeitungsbranche bewusst sei. Die Veränderungen der Rahmenbedingungen (besonders durch das Internet und im Werbegeschäft) führten zu Konzentrationstendenzen. Dies erfordere eine breite politische Diskussion, die nicht durch eine Ministererlaubnis mit Präzedenzwirkung vorweg genommen werden sollte.