30.12.2002
T. Muris: Gesundheitswesen und Wettbewerb im 21. Jahrhundert (Vortrag)
USA
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https://www.ftc.gov/speeches/muris |
Zunächst wird die Ausgangslage beschrieben:
- Für das Gesundheitswesen wird auch in den USA immer mehr Geld ausgegeben, nämlich etwa 15% des Bruttosozialproduktes (1,3 Billionen Dollar).
- Wettbewerbswidriges Verhalten von Ärzten und Pharmaunternehmen nimmt zu.
- Freie Berufe unterliegen ebenfalls den Wettbewerbsgesetzen (Supreme Court, Goldfarb vs. Virginia State Bar, 1975).
- Im Gesundheitswesen hat der Wettbewerbsschutz eine besonders wichtige verbraucherschützende Komponente (Gesundheitswerbung, Information bei Internetvertrieb von Arzneimitteln).
- Es gibt keinen Gegensatz zwischen lebhaftem Wettbewerb und der Erbringung hochwertiger Leistungen im Gesundheitswesen. Dies wird in der öffentlichen Diskussion immer wieder angezweifelt, bleibt aber wahr. „It is a classic nirwana fallacy to assume that because markets are not perfect, a market-replacing alternative necessarily will be better”.
- Von den Gesamtkosten in Höhe von 1,3 Billionen Dollar entfallen 32% auf die Versorgung von Kranken in Krankenhäusern (in-patient care), 32% auf die Dienste von Ärzten und Kliniken, 9% auf verschriebene Arzneimittel, 37% auf den Rest (Pflege, Verwaltung, andere Kosten).
- Die Qualität ist unterschiedlich. In der Innovation nehmen die USA bei Arzneimitteln und Medizingeräten die Spitzenstellung in der Welt ein. Die medizinische Versorgung ist aber nicht überall gleich gut („geography is destiny“).
- 177 Millionen Amerikaner sind über die Arbeitgeber krankenversichert, was meist die Familienangehörigen einschließt. Über staatliche Programme wie Medicare oder Medicaid werden 75 Millionen Amerikaner abgesichert. 75 Millionen Amerikaner sind ohne Versicherungsschutz, haben aber Anspruch auf eine Grund- und Notversorgung.
- Bei den Pharmaunternehmen ergeben sie sich hauptsächlich aus dem Konflikt zwischen patentierten Arzneimitteln und Generika. Der Gesetzgeber hat versucht, einen Mittelweg zu finden (Hatch-Waxman Amendments): Generika können auf den Markt gebracht werden, doch muss zuvor ein bestimmtes Verfahren durchlaufen werden, das mit einer Registrierung geschützte Arzneimittel (Orange Book der FDA) und Wartefristen für die Generikahersteller verbunden ist. Die FTC beobachtet hier Missbräuche bei der Registrierung von Patenten, die keine Bestandskraft haben (FDA prüft dies nicht nach), wodurch die Fristen erschlichen werden. Ferner kann es zu vertraglichen Abmachungen zwischen Pharmaunternehmen und Generikaherstellern kommen (settlements), die wettbewerbsbeschränkend sein können (Marktaufteilungen). Die FTC hat Verfahren eingeleitet.
- Ärzte schließen sich zu Preiskartellen zusammen. Die FTC hat 2002 fünf Fälle abgeschlossen. In einem Fall waren 1200 Ärzte beteiligt. Zur Verteidigung wird vorgebracht, dies sei nötig, um ein Gegengewicht gegen die überlegenen Versicherungsunternehmen zu schaffen. Tatsächliche Untersuchungen zeigen aber, dass in den aufgegriffenen Fällen eine Übermacht der Versicherer gerade nicht vorlag. Allerdings ist die FTC durchaus bereit, über eine Zusammenarbeit von Ärzten mit sich reden zu lassen, wenn dies der Qualitätsverbesserung dient (Kooperation bei der Betreuung von Patienten usw.).
- Bei Krankenhäusern ist die Fusionskontrolle ein leidiges Thema für die amerikanischen Kartellbehörden. In den letzten acht Jahren sind alle sieben Fälle vor Gericht verloren worden. Die FTC hat jetzt eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Sie soll untersuchen, woran dies liegt. Dabei sollen auch abgeschlossene Fälle aus der Vergangenheit einbezogen werden.
- Die Versicherungsgesellschaften werden hauptsächlich von der Kartellabteilung des Justizministeriums überwacht, das sich mit der finanziellen Seite des Gesundheitsmarktes befasst. Die Konsolidierung des Versicherungsmarktes und die dadurch entstehende Nachfragemacht werden von den Kartellbehörden durchaus ernst genommen. Ihnen sind aber gesetzlich die Hände gebunden (Ausnahmeregelung für Versicherungen im McCarran-Ferguson Act).