01.10.2002
Neue VO 17 im Dezember 2002?
EU
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In Brüssel rechnet man mit einer Verabschiedung der neuen Verordnung über das Kartellverfahrensrecht noch im Jahr 2002. Dies wurde bei der Informationsveranstaltung des FIW am 26. September 2002 in Brüssel bekannt. Danach werden Regierungsvertreter Mitte Oktober noch einmal über strittige Fragen beraten. Mitte Dezember soll dann der Ministerrat die Verordnung verabschieden. Mit einer Übergangsfrist von einem Jahr ist zu rechnen. In der Hauptsache wird derzeit noch um die Art. 4 Abs. 2, Art. 16, Art. 28 des Verordnungsentwurfs (VO-E) und um die Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse der Kommission gestritten.
Neu ist die Fassung von Art. 3 VO-E. Danach gilt der Vorrang des Gemeinschaftsrechts im Rahmen von Art. 81 nicht mehr uneingeschränkt. F hat durchgesetzt, dass auch bei 81 EGV strengeres nationales Recht angewendet werden kann, wenn nationale Gesetze unlautere Handelspraktiken sanktionieren, die nicht überwiegend den Wettbewerbsschutz zur Zielrichtung haben.
Den Anliegen der Unternehmen nach mehr Rechtssicherheit und einer stärkeren Verankerung des „One-Stop-Shop-Prinzips“ ist auch im letzten Entwurf nicht wesentlich Rechnung getragen worden (vgl. Stellungnahme des BDI vom 19.1.2001, abrufbar unter www.bdi-online.de, Publikationen, Abteilung Recht). Rechtsstaalich nach wie vor bedenklich sind die weiten Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse der EU-Kommission.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat noch einmal ausführlilch zu den Ermittlungs- und Eingriffsbefugnissen der Kommission Stellung genommen (abrufbar unter www.bdi-online.de - Publikationen, Abteilung Recht):
- Die Beweislastbestimmung (Art. 2, Satz 2 VO-E) sollte nur im Zivilverfahren, nicht im nationalen Verwaltungsverfahren gelten. Der Amtsermittlungsgrundsatz und das Prinzip „in dubio pro reo“ sollten nicht eingeschränkt werden.
- Die Registerermächtigung (Artikel 4 Abs. 2 VO-E) sollte ersatzlos gestrichen werden.
- Strukturelle Maßnahmen (Art. 7 VO-E) sollten nicht eingeführt werden.
- Einstweilige Maßnahmen (Art. 8 VO-E) sollten nur bei hinreichendem Tatverdacht und nach Anhörung der Parteien angeordnet werden können.
- Der Austausch vertraulicher Informationen (Art. 12 VO-E) soll nur erfolgen, wenn der empfangende Staat gleiche Konzepte und Praktiken im Hinblick auf Vertraulichkeit, Berufs- und Geschäftsgeheimnisse, das Legal Privilege, Verteidigungsrechte und Sanktionen verfolgt. Betroffene Unternehmen sollten von dem Austausch benachrichtigt werden, es sei denn, zwingende Gründe des öffentlichen Interesses sprechen dagegen. Der Austausch darf nicht zu einer Sanktionierung eines Mitarbeiters führen. Eine Weitergabe vertraulicher Informationen an Dritte außerhalb der Kartellbehörden sollte verboten werden. Die Informationen sollen nur zur Anwendung von EG- Sanktion sollte gleichwertig und nicht nur ähnlich sein.
- Beim Auskunftsverlangen (Art. 18) sollte das Selbstbezichtigungsverbot in vollem Umfang anerkannt werden. Unternehmen sollen nicht an ihrer eigenen Überführung aktiv mitwirken müssen und sollten das Recht haben, eine Auskunftsanordnung durch die Kommission gerichtlich nachprüfen zu lassen.
- Der Durchsuchung von Privatwohnungen (Art. 20 A, Abs. 1 VO-E) sollte eine strenge Güterabwägung mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vorangehen. Weitere Voraussetzung sollte dringender Tatverdacht und Aussicht auf Fahndungserfolg sein. Nationale Gerichte sollten auch eine Rechtmäßigkeitsprüfung der Kommissionsentscheidung vornehmen dürfen.
- Bei der Befragung von Mitarbeitern während der Durchsuchung (Art. 20, Abs. 2 e Recht dienen und nicht zu schärferen Sanktionen führen, als das Land vorsieht, in dem die Informationen gesammelt wurden. Die VO-E) sollten nur die von der Geschäftsleitung des Unternehmens benannten Personen auskunftspflichtig sein. Die Kommission sollte auf mögliche Auskunftsverweigerungsrechte hinweisen müssen.
- Die Kommission sollte das Legal Privilege für Unternehmensjuristen anerkennen.
- Die Bemessung von Geldbußen (Art. 22 VO-E) sollte nicht auf den Jahresumsatz eines Unternehmens, sondern auf den konkreten Tatvorwurf oder Handlungserfolg abstellen. Insbesondere fehlt es an einem Kausalzusammenhang zwischen persönlicher Verfehlung (Aussageverweigerung von Zeugen) und dem Unternehmensumsatz. Die Beweislast (Abs. 4) für ein Mitwirken eines Unternehmens am Verstoß einer Unternehmensvereinigung sollte bei der Kommission und nicht bei den Unternehmen liegen, für die zunächst die Unschuldvermutung gilt und die den verlangten Negativbeweis kaum führen können.