30.01.2023

Zwei Reden von Präsidentin von der Leyen (College of Europe in Brügge, Davos) zur Anpassung der Beihilfenpolitik in Europa

EU
Kommission
Rede
Präsidentin Von der Leyen
Wettbewerbspolitik
Beihilfenpolitik
Reform

 

Link zur Rede in Brügge: Speech by the President: College of Europe in Bruges (europa.eu)

Link zur Rede in Davos: Sonderansprache der Präsidentin auf dem Weltwirtschaftsforum (europa.eu)

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat am 4. Dezember 2023 am College of Europe in Brügge eine richtungsweisende Rede zur Zukunft der Beihilfenpolitik gehalten als Antwort auf den Inflation Reduction Act (IRA) und den Bipartisan Infrastructure Act der Biden Administration (zum Hintergrund dieser Gesetzgebung s. u.). Hieran knüpfte sie in ihrer Rede beim Weltwirtschaftsforum in Davos am 17. Januar 2023 an und präzisierte bereits einige Aspekte.

Von der Leyen sieht in den U.S.-amerikanischen Initiativen die Gefahr dass der IRA vor dem Hintergrund einer bereits beeinträchtigten Wettbewerbsfähigkeit vieler europäischer (insbesondere energieintensiven) Industrien zu unlauterem Wettbewerb führt, Märkte abschottet und genau die kritischen Lieferketten fragmentiert, die bereits durch die Pandemie auf die Probe gestellt wurden. In ihrer Rede in Brügge akzentuierte sie dabei drei Aspekte, die beim IRA eine besondere Rolle spielten: Erstens die "Buy American"-Strategie, die einem Teil des IRA zugrunde liegt, zweitens Steuervergünstigungen, die zu Diskriminierung führen könnten, und drittens, Produktionssubventionen, die zu einem Subventionswettlauf führen könnten. Dies könne dazu führen, dass europäische Hersteller künftige Investitionen von Europa in die USA zu verlagern. Von der Leyen propagiert in ihrer Rede, dass in den USA und Europa gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen sollten. Die könnte dazu führen, dass Europa Maßnahmen ergreifen müsse, um wieder ein „Level Playing Field" herzustellen.

Von der Leyen sieht staatliche Beihilfen als ein bewährtes Instrument, um Anreize für Unternehmenstätigkeiten im öffentlichen Interesse zu schaffen und nennte das Wasserstoff-IPCEI als gutes Beispiel. Sie stellt klar, dass auch über Verbesserungen des Beihilferahmens und dessen Anpassung an ein neues globales Umfeld nachgedacht werden müsse. Hierzu gehörten auch eine einfache Handhabung und Vorhersehbarkeit des Beihilfensystems. Anders als der IRA würde auf der Grundlage des Beihilfenrechts nicht immer strategische Sektoren entlang der gesamten Wertschöpfungskette investiert. Es reiche nicht, bahnbrechende Technologien vom Labor nur bis zur ersten industriellen Anwendung zu bringen. Es müssten auch Möglichkeiten bis zur Massenproduktion der strategisch wichtigsten grünen Technologielösungen und sauberen Endprodukte bereitgestellt werden.

Als zweite Säule müsse auch eine ergänzende europäische Finanzierung angedacht werden. Das richtige Instrument dafür sei REPowerEU. Auch könne an die Einrichtung eines europäischen Souveränitätsfonds gedacht werden. Ein kostspieliger Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten sei jedenfalls nicht die richtige Antwort.

In ihrer Rede in Davos betonte von der Leyen, dass es für die europäische Industrie notwendig sei, mit den Angeboten und Anreizen außerhalb der EU mitzuhalten. Sie sagte, dass die Kommission daher neben den Bestrebungen, einen Europäischen Souveränitätsfonds vorzubereiten, vorschlagen werde, „unsere Beihilfevorschriften vorübergehend anzupassen, um Beihilfen schneller und leichter möglich zu machen." Dies solle durch einfachere Berechnungen, simplere Verfahren und schnellere Genehmigungen erfolgen. Dazu gehörten auch unkomplizierte Modelle zur Steuerentlastung sowie „gezielte Beihilfen für Produktionsanlagen in strategischen Wertschöpfungsketten für saubere Technologien, um Verlagerungsrisiken durch drittstaatliche Subventionen entgegenzuwirken".

Hintergrund:

Inflation Reduction Act: https://www.congress.gov/bill/117th-congress/house-bill/5376/text

Bipartisan Infrastructure Act: Text - H.R.3684 - 117th Congress (2021-2022): Infrastructure Investment and Jobs Act | Congress.gov | Library of Congress

Der Inflation Reduction Act of 2022 (IRA) ist ein Bundesgesetz der Vereinigten Staaten, das darauf abzielt, die Inflation durch eine Verringerung des Defizits, eine Senkung der Preise für verschreibungspflichtige Medikamente und Investitionen in die heimische Energieerzeugung einzudämmen und gleichzeitig saubere Energie zu fördern. Es wurde vom 117. Kongress der Vereinigten Staaten verabschiedet und am 16. August 2022 von Präsident Joe Biden unterzeichnet. Dieser soll durch eine Kombination aus neuen Steuern für Unternehmen, verstärktem Steuervollzug und einer Reform der Preisgestaltung für verschreibungspflichtige Medikamente schätzungsweise 737 Mrd. US-Dollar an neuen Haushaltseinnahmen einbringen. Gleichzeitig stellt das Gesetz rund 369 Mrd. US-Dollar für Investitionen in den Klimaschutz (Emissionsreduktion und Förderung grüner Technologien) und etwa 64 Mrd. US-Dollar für zusätzliche Ausgaben für die gesetzliche Gesundheitsvorsorge (Affordable Care Act bzw. „Obamacare") zur Verfügung. Die Differenz von Einnahmen und Ausgaben soll Schätzungen zufolge dazu beitragen, das Haushaltsdefizit über die nächsten zehn Jahre, um ca. 300 Mrd. US-Dollar zu reduzieren.

Der Bipartisan Infrastructure Act ist ebenfalls ein Bundesgesetz der Vereinigten Staaten, das vom 117. US-Kongress verabschiedet und von Präsident Joe Biden am 15. November 2021 unterzeichnet wurde. Ursprünglich handelte es sich um ein Infrastrukturpaket im Wert von 547 bis 715 Mrd. USD, das Bestimmungen für die Bundesprogramme für Autobahnen, Transitverkehr, Straßensicherheit, Kraftverkehr, Forschung, Gefahrgut und Eisenbahn des Verkehrsministeriums enthielt. Nach Verhandlungen im Kongress wurde das Gesetz geändert und in Infrastructure Investment and Jobs umbenannt, um zusätzlich Mittel für den Breitbandzugang, sauberes Wasser und die Erneuerung des Stromnetzes bereitzustellen. Diese geänderte Fassung umfasste Ausgaben in Höhe von rund 1,2 Mrd. Dollar.

Ausblick: 

Die Kommissionspräsidentin wird am 1. Februar 2023 ihre eigenen Ideen zur Reaktion auf die Subventionspolitik der USA im Vorfeld der Diskussion der Staats- und Regierungschefs beim EU Gipfel am 8./9. Februar darlegen.