13.09.2019

Wettbewerbskommission 4.0 legt Abschlussbericht vor

13.09.2019

Wettbewerbskommission 4.0 legt Abschlussbericht vor

Die vom Bundesminister für Wirtschaft und Energie Altmaier eingesetzte Expertenkommission Wettbewerbsrecht 4.0 unter Vorsitz von Martin Schallbruch, Prof. Dr. Heike Schweitzer und Prof. Achim Wambach, Ph.D. hat am 9. September 2019 ihren 85-seitigen Abschlussbericht vorgelegt. Die Wettbewerbskommission 4.0. ist vor einem Jahr eingesetzt worden, um sich mit wettbewerbspolitischen Fragestellungen zu befassen, die sich durch die fortschreitende Entwicklung der Datenökonomie, die Verbreitung von Plattformmärkten und durch „Industrie 4.0"-Konstellationen ergeben (vgl. dazu FIW-Bericht vom 21.09.18). Sie sollte Vorschläge für eine Reform insbesondere des europäischen Wettbewerbsrechts vorlegen. Der Abschlussbericht enthält 22 Empfehlungen insbesondere zu den Bereichen Datenzugang, Plattformmärkte, Vernetzte Digitalregulierung und Rechtssicherheit bei Kooperationen. Der Bericht der Wettbewerbskommission setzt sich zudem mit einer Reihe vorausgegangener Berichte zur Weiterentwicklung des Wettbewerbsrechts und eines wettbewerbs- und innovationsfördernden Regelungsrahmens für die Digitalwirtschaft auseinander. In einem Anhang des Berichts werden die Empfehlungen dieser Veröffentlichungen, insofern sie in Bezug zu den Empfehlungen der Wettbewerbskommission 4.0 stehen, noch in einem Überblick dargestellt.

Kurzer Überblick über die Hauptbereiche des Berichts

Beim Datenzugang schlägt die Kommission vor allem vor, den Zugang zu Verbraucherdaten zu erleichtern. Nach dem Vorbild der Zahlungsdienstemärkte könne Regulierung das Recht der Konsumenten vorsehen, Drittanbietern den Zugriff auf ihr Nutzerkonto zu gewähren. Zudem schlägt die Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 vor, die Etablierung von Datentreuhändern zu fördern, die im Auftrag und nach den Vorgaben der Konsumenten Datenzugänge für Unternehmen einräumen können. Für marktbeherrschende Plattformen wird daher eine Verschärfung der im Datenschutzrecht bereits angelegten Pflicht zur Gewährleistung von Datenportabilität vorgeschlagen. Die öffentliche Hand soll verpflichtet werden, die Daten des öffentlichen Sektors, z. B. im Rahmen der Daseinsvorsorge, auch Dritten zur Nutzung zur Verfügung zu stellen (Open Data).

Im Hinblick auf Plattformmärkte schlägt die Kommission klare Verhaltensregeln für marktbeherrschende Online-Plattformen im Rahmen einer Plattform-Verordnung vor, um die Bestreitbarkeit bestehender Machtpositionen und einen unverfälschten Wettbewerb auf der Plattform sowie auf und um angrenzende Märkte zu gewährleisten. Darin soll insbesondere das Verbot der Selbstbegünstigung eigener Dienste im Verhältnis zu Drittanbietern sowie eine Pflicht zur Gewährleistung erweiterter Datenportabilität in Echtzeit und interoperablen Datenformaten enthalten sein. Schließlich sollen die etablierten Plattformen verpflichtet werden, alternative Streitbeilegungsverfahren für Streitigkeiten über Inhalte und Gegenstände, die über die Plattform angeboten werden, einzurichten.

Zur Erreichung einer vernetzten Digitalregulierung sollen zwei neue Institutionen eingerichtet werden, zum einen ein „Digital Markets Board", das beim Generalsekretariat der EU-Kommission anzusiedeln wäre, zum anderen eine (befristete) EU-Agentur für die Begleitung der Digitalisierung der Märkte („Digital Markets Transformation Agency"), um eine bessere Vernetzung der Aufsichtsstrukturen zu erreichen.

Zum Thema Rechtssicherheit bei Kooperationen bemerkt die Wettbewerbskommission in ihrem Bericht, dass sowohl

„Datenkooperationen - also Vereinbarungen zwischen Unternehmen über das Austauschen, Teilen und Zusammenführen von Daten - als auch Kooperationen beim gemeinsamen Aufbau von Plattformen, digitalen Netzwerken und Ökosystemen schwierige kartellrechtliche Fragen aufwerfen, die Kooperationsbereitschaft bremsen."

Die Kommission Wettbewerbsrecht 4.0 plädiert daher für neue verfahrensrechtliche  Instrumente, um Unternehmen die Möglichkeit zu geben, Rechtssicherheit über die kartellrechtliche Zulässigkeit neuartiger Kooperationen zu erlangen. Vorgeschlagen wird daher, auf europäischer Ebene ein freiwilliges Anmeldeverfahren für Kooperationen einzuführen, die offene Rechtsfragen aufwerfen und von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sind. Die Generaldirektion Wettbewerb sollte dann innerhalb von 90 Arbeitstagen über die Zulässigkeit einer angemeldeten Kooperation entscheiden.

Zu erwähnen ist noch der Vorschlag der Wettbewerbskommission, das Konzept der Marktabgrenzung anzupassen und zu diesem Zweck die aus dem Jahr 1997 stammende Bekanntmachung über die Definition des relevanten Marktes  zu überarbeiten. Es soll auch eine neue Mitteilung über die Marktabgrenzung und Marktmachtfeststellung bei digitalen Plattformen erarbeitet werden.

Bei der Fusionskontrolle rät die Kommission davon ab, auf EU-Ebene einen Transaktionsschwellenwert wie im deutschen Recht einzuführen. Auch soll auf eine ex-post-Kontrolle von Zusammenschlüssen verzichtet werden. derzeit abgesehen werden. Der Aufkauf innovativer Start-Ups (sog. „killer acquisitions"), sollen nicht untersagt, sondern in erster Linie einer Beobachtung unterstellt werden. Allerdings empfiehlt die Kommission zu diesem Bereich Leitlinien unter Beachtung der gängigen und anerkannten Schadenstheorien zu entwickeln.