17.09.2020

USA: Neufassung der Leitlinien zur Bewertung vertikaler Fusionen („Vertical Merger Guidelines“)

USA
DOJ
FTC
Fusionskontrolle
Vertikal-Leitlinien

Vertical Merger Guidelines: https://www.justice.gov/atr/page/file/1290686/download

Dissense von Chopra und Slaughter: https://www.ftc.gov/system/files/documents/public_statements/1577503/vmgchopradissent.pdf

https://www.ftc.gov/system/files/documents/public_statements/1577499/vmgslaughterdissent.pdf

Zum politischen Hintergrund (pars pro toto):

https://www.jonesday.com/en/insights/2020/07/doj-and-ftc-release-final-version-of-vertical-merger-guidelines 

Das amerikanische Justizministerium (DOJ) und die Federal Trade Commission (FTC) haben am 30. Juni 2020 die endgültige Neufassung ihrer Leitlinien für vertikale Fusionen („Vertical Merger Guidelines“) in den USA veröffentlicht. Bei der Neufassung handelt es sich um die erste Überarbeitung der Leitlinien für vertikale Fusionen seit über 35 Jahren.  

Orientierungshilfe bei Fusionen 

Die neuen Leitlinien gelten für vertikale und konglomerate (auch als „komplementäre“ und „diagonale“ bezeichnete) Fusionen und sollen den Unternehmen eine Orientierung und Anhaltspunkte dafür liefern, wie die Aufsichtsbehörden Zusammenschlussvorhaben bewerten. Bei den konglomeraten Fusionen bestehen zwischen den Zusammenschlussbeteiligten keine horizontalen Überlappungen oder Vertikalverhältnisse in den sachlich relevanten Märkten. Zwischen den Produkten der fusionierenden Unternehmen können dennoch Komplementaritäts- oder Substitutionsbeziehungen vorliegen.

In den Leitlinien wird dargelegt unter welchen Umständen eine vertikale Fusion als wettbewerbsbeschränkend eingestuft wird. Laut den Leitlinien ist dies der Fall, wenn die Fusion zu einer Abschottung des Marktes oder einer Erhöhung der Kosten der Wettbewerber führt, den Zugang zu wettbewerbsrelevanten Informationen wesentlich verändert oder das Risiko der Marktkoordinierung erhöht. Als wettbewerbsfördernd soll eine Fusion hingegen gelten, wenn sie die Preise für den Verbraucher durch die Verringerung doppelter Gewinnmargen senken.   

Die aktualisierten Leitlinien enthalten, abgesehen von der ausdrücklichen der Aufnahme der konglomeraten Fusionen („komplementären und diagonalen“ Fusionen), keine wesentlichen Abweichungen von den bisherigen Regelungen und der Untersuchungspraxis der Aufsichtsbehörden. Sie sind für die Justiz nicht bindend, können aber von den Gerichten als Auslegungshilfe herangezogen werden.  

Politisches Umfeld 

Bemerkenswert ist die Aktualisierung der Vertical Merger Guidelines zum gegenwärtigen Zeitpunkt vor allem deshalb, weil sie zeigt, dass vertikale Fusionen in Zukunft wieder in den Fokus der Aufsichtsbehörden rücken könnten. Dies zeigt eine Tendenz auf, dass man in den USA von der liberalen Ansicht der 1980er Jahre abrückt, derzufolge vertikale Fusionen als unbedenklich und sogar wettbewerbsfördernd eingestuft wurden, welche vielfach Kosteneinsparungen für die Verbraucher mit sich brächten. 

Die Veröffentlichung der Vertical Merger Guidlines war von einem Dissens der beiden demokratischen FTC-Kommissare, Rohit Chopra and Rebecca Kelly Slaughter, begleitet. Diese beiden Kommissionsmitglieder (Demokraten) hatten sich für eine (noch) strengere Fusionskontrolle ausgesprochen. Chopra schrieb in seinem Dissens, dass die neuen Leitlinien nicht ausreichend darauf eingingen, dass vertikale Fusionen die Eintrittsbarrieren zu Märkten erhöhen könnten, und Slaughter argumentierte, dass die Leitlinien die Kostenvorteile von vertikalen Zusammenschlüssen für Verbraucher überschätzten. Beide verlangten strengere Auflagen für vertikale Fusionen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ein Regierungswechsel im Jahr 2021 daher zu einer neuen Praxis oder Überarbeitung der Leitlinien führen könnte.  

Auch die letzten beiden Regierungswechsel hatten zu einer Aufhebung und Änderung von wettbewerbsrechtlichen Leitlinien geführt. So hatte die Obama-Regierung die Leitlinien der Bush-Regierung zur Monopolisierung („Report on Antitrust Monopoly Law“) aufgehoben, und die Trump-Regierung hatte die Leitlinien der Obama-Regierung zu Abhilfemaßnahmen bei Fusionen („Merger Remedies Manual“) geändert.