16.09.2015
UK: Großbritannien führt Bußgeldreduktion bei freiwilligen Schadensersatzzahlungen an Kartellgeschädigte ein
Am 1. Oktober 2015 tritt in Großbritannien eine Regelung in Kraft, wonach freiwillige Kompensationssysteme (redress schemes) von Unternehmen, die zuvor von der britischen Wettbewerbsbehörde, der Competition and Markets Authority (CMA)genehmigt worden sind, den Kartellgeschädigten die Möglichkeit eröffnen, ohne gerichtliche Verfahren Entschädigung zu erlangen. Im Gegenzug können die Unternehmen, die solche Kompensationssysteme einrichten, eine Bußgeldreduzierung bis zu 20 Prozent erwarten.
Diese Neuerungen sind durch den Consumer Rights Act 2015 (CRA15), der eine Reformierung des Competition Acts von 1998 darstellt, eingeführt worden. Die CMA hat dazu kürzlich einen Leitfaden veröffentlicht, in dem der Ablauf des redress scheme und des dazugehörigen Antrags beschrieben werden (Guidance on the CMA's power to approve voluntary redress schemes in cases where competition law has been infringed).
Ablauf:
Voraussetzung für eine Bußgeldreduzierung ist, dass die Unternehmen ein so genanntes redress scheme anmelden. Dieses Kompensationssystem ist eine Form der alternativen Streitbeilegung. In einem ausführlichen Plan, der von einem unabhängigen Vorsitzenden betreut wird, werden die Schadensersatzzahlungen festgelegt. Allen Geschädigten muss mindestens neun Monate lang Kompensationsgeld (oder in Einzelfällen auch Sachentschädigung) über diesen Plan zur Verfügung stehen. Erst mit Ablauf der neun Monate steht damit die tatsächliche Höhe der Entschädigungszahlungen fest. Die Geschädigten müssen zuvor zudem ausreichend über diese Möglichkeit der Kompensation informiert worden sein. Die Information erfolgt zum einen auf der Grundlage des allgemein gültigen Verbraucherrechts. Zum anderen schlägt der Leitfaden vor, an den typischen Verkaufsstellen des betroffenen Produkts, über Medien sowie den Internetauftritt des Unternehmens für das Kompensationssystem zu werben. Zusätzlich wird es auf den Internetseiten der Regierung (Department for Business, Innovation & Skills) und der CMA veröffentlicht. Außerdem sollten mutmaßlich geschädigte Unternehmen und Verbände direkt angesprochen werden. Ein entsprechender Antrag auf Einrichtung eines redress scheme kann auch schon vor der abschließenden Entscheidung der Behörde in der Sache gestellt werden; die Genehmigung dieses Systems kommt jedoch erst im Zeitpunkt der behördlich festgestellten Zuwiderhandlung oder danach in Betracht.
Es steht den kompensierenden Unternehmen zu einem gewissen Grad frei, zu bestimmen, wer aus dem Plan berechtigt ist, beispielsweise, ob nur Geschädigte innerhalb Großbritanniens darauf zugreifen dürfen und ob er sich ausschließlich an direkt oder auch an indirekt Geschädigte richtet. Sie sollten darüber hinaus, in eigenem Interesse, sicherstellen, dass es zu keiner doppelten Zahlung kommen kann. Geschädigten, die sich durch das redress scheme entschädigen lassen, ist anschließend die Schadensersatzklage verwehrt.
Ob das redress scheme den Ansprüchen des Leitfadens entspricht, liegt im Ermessen der zuständigen Behörde (in der Regel der CMA). Sie entscheidet auch, in welcher Höhe dann ein Abzug vom Bußgeld gewährt wird; dies ist abhängig von Faktoren wie den Konditionen der Entschädigungszahlung, der Höhe des Bußgeldes oder den zu erwartenden Verwaltungskosten für die Entschädigungszahlung, weniger jedoch von der Schwere des Kartellverstoßes. Geprüft wird der jeweilige Antrag im letzten Schritt im Rahmen eines Bußgeldverfahrens, in dem auch sonstige mildernde Umstände in Betracht gezogen werden. Dem kompensierenden Unternehmen steht es frei, den Antrag auf Minderung des Bußgeldes zurückzuziehen, wenn es mit der Höhe der Bußgeldreduzierung nicht einverstanden ist. Damit soll sichergestellt sein, dass das Unternehmen frei darüber entscheiden kann, ein redress scheme durchzuführen und den Rabatt in Anspruch zu nehmen oder aber etwaige Schadensersatzklagen in Kauf zu nehmen.