31.05.2016

UK: CMA veröffentlich Leitfaden zu Abhilfemaßnahmen seitens Geschädigter bei Kar-tellverstößen

Im Mai hat die Wettbewerbsbehörde des Vereinigten Königreichs, die Competition and Markets Authority (CMA) einen Leitfaden für Geschädigte von Wettbewerbsverstößen veröffentlicht, welche Abhilfemaßnahmen diese ergreifen können. Er ersetzt die vom Office of Fair Trading (OFT) zuvor veröffentlichte Broschüre „Quick guide to private litigation in competition cases" aus dem Jahr 2010.

Der neue Leitfaden reflektiert die Änderungen im Gesetz Consumer Rights Act 2015 (CRA) sowie diejenigen, die durch die Europäische Kartellschadensersatz-Richtlinie eingeführt werden müssten. Aufgrund der Änderungen soll es für Privatpersonen und Unternehmen leichter werden, Abhilfe, u. a. Schadensersatz, für Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht zu erlangen.

Wesentlicher Inhalt des Leitfadens:

Der Leitfaden erläuterte zunächst die wichtigsten Wettbewerbsvorschriften des EU-Rechts und führt dazu einige Beispielfälle aus der Praxis im Vereinigten Königreich aus. Er stellt sodann Beweisstandards und die Möglichkeit für bestimmte Klageverfahren wie „stand-alone", „follow-on"-Klagen nach behördenseitig festgestellten Wettbewerbsverstößen und „fast-track-claims" vor.

Weiter werden die im Vereinigten Königreich existierenden kollektiven Klagemöglichkeiten  (Opt-In und Opt-Out) sowie kollektive Vergleichsmöglichkeiten und alternative Streitbeilegungsmöglichkeiten näher erläutert. Die Voraussetzungen zu einer Teilnahme an freiwilligen Kompensationssystemen (vgl. unten) werden ebenfalls dargestellt. Der Leitfaden betont, dass die Beweisstandards für den Abhilfesuchende im Rahmen von freiwilligen Kompensationssystemen (redress schemes) unter unter Umständen abgeschwächter sein können (kein Vollbeweis des Schadens und der Kausalität).

Die Verjährung von Ansprüchen wird erläutert sowie die Möglichkeit für verschiedene Abhilfemaßnahmen (einstweilige Verfügung, Schadensersatz und gericthliche Erklärungen eines festgestellten Wettbewerbsverstoßes). Der Leitfaden endet mit einer Darstellung der Kostentragungsregeln.

Hintergrund:

Consumer Rights Act 2015: Mit dem Consumer Rights Act ist in Großbritannien 2015 eine Regelung in Kraft getreten, wonach freiwillige Kompensationssysteme (redress schemes) von Unternehmen, die zuvor von der CMA genehmigt worden sind, den Kartellgeschädigten die Möglichkeit eröffnen, ohne gerichtliche Verfahren Entschädigung zu erlangen. Im Gegenzug können die Unternehmen, die solche Kompensationssysteme einrichten, eine Bußgeldreduzierung bis zu 20 Prozent erwarten (vgl. FIW-Bericht vom 16.09.2015).

Voraussetzung für eine Bußgeldreduzierung ist, dass die Unternehmen ein so genanntes redress scheme anmelden. Dieses Kompensationssystem ist eine Form der alternativen Streitbeilegung. In einem ausführlichen Plan, der von einem unabhängigen Vorsitzenden betreut wird, werden die Schadensersatzzahlungen festgelegt. Allen Geschädigten muss mindestens neun Monate lang Kompensationsgeld (oder in Einzelfällen auch Sachentschädigung) über diesen Plan zur Verfügung stehen. Erst mit Ablauf der neun Monate steht damit die tatsächliche Höhe der Entschädigungszahlungen fest. Die Geschädigten müssen zuvor zudem ausreichend über diese Möglichkeit der Kompensation informiert worden sein. Ein entsprechender Antrag auf Einrichtung eines redress scheme kann auch schon vor der abschließenden Entscheidung der Behörde in der Sache gestellt werden; die Genehmigung dieses Systems kommt jedoch erst im Zeitpunkt der behördlich festgestellten Zuwiderhandlung oder danach in Betracht.

Es steht den kompensierenden Unternehmen zu einem gewissen Grad frei, zu bestimmen, wer aus dem Plan berechtigt ist, beispielsweise, ob nur Geschädigte innerhalb Großbritanniens darauf zugreifen dürfen und ob er sich ausschließlich an direkt oder auch an indirekt Geschädigte richtet. Sie sollten darüber hinaus, in eigenem Interesse, sicherstellen, dass es zu keiner doppelten Zahlung kommen kann. Geschädigten, die sich durch das redress scheme entschädigen lassen, ist anschließend die Schadensersatzklage verwehrt.

Ob das redress scheme den Anforderungen entspricht, liegt im Ermessen der zuständigen Behörde (in der Regel der CMA). Sie entscheidet auch, in welcher Höhe dann ein Abzug vom Bußgeld gewährt wird; dies ist abhängig von Faktoren wie den Konditionen der Entschädigungszahlung, der Höhe des Bußgeldes oder den zu erwartenden Verwaltungskosten für die Entschädigungszahlung, weniger jedoch von der Schwere des Kartellverstoßes. Geprüft wird der jeweilige Antrag im letzten Schritt im Rahmen eines Bußgeldverfahrens, in dem auch sonstige mildernde Umstände in Betracht gezogen werden. Dem kompensierenden Unternehmen steht es frei, den Antrag auf Minderung des Bußgeldes zurückzuziehen, wenn es mit der Höhe der Bußgeldreduzierung nicht einverstanden ist. Damit soll sichergestellt sein, dass das Unternehmen frei darüber entscheiden kann, ein redress scheme durchzuführen und den Rabatt in Anspruch zu nehmen oder aber etwaige Schadensersatzklagen in Kauf zu nehmen.

Des weiteren waren Verbesserungen bei der Durchsetzung privater Schadensersatzklagen eingeführt worden (z. B. eine Verlängerung der Verjährungsfristen auf 6 Jahre und die Offenlegung von Unterlagen in privaten Schadensersatzklagen).

Umsetzung der Kartellschadensersatz-Richtlinie (UK): Das Department „Unternehmen, Innovation und berufliche Bildung" der englischen Regierung (UK Department für Business, Innovation and Skills, BIS) hatte am 28. Januar 2016 eine Konsultation zur Umsetzung Kartellschadensersatz-Richtlinie eingeleitet, die bis zum 9. März 2016 lief.

Im Konsultationsdokument brachte die englische Regierung zum Ausdruck, dass es im Vereinigten Königreich bereits ein gut entwickeltes Schadensersatzsystem für nationale und europäische kartellrechtliche Zuwiderhandlungen gebe. Daher seien nur kleinere Anpassungen des englischen Rechts erforderlich (vgl. hierzu FIW-Bericht vom 25.02.2016).