31.08.2021

UK: Britische Regierung konsultiert zu zwei Reformvorhaben im Wettbewerbsrecht und plant neue Regeln für große Digitalunternehmen

UK
CMA
Digital Market Unit
Strategischer Marktstatus (SMS)
Plattformökonomie

 

Reformvorhaben:

Reforming competition and consumer policy - GOV.UK (CP 488)

A new pro-competition regime for digital markets - GOV.UK (CP 489)

Die britische Regierung avisiert aktuell eine Reform ihrer Wettbewerbs- und Verbraucherpolitik. Seit dem 20. Juli 2021 führt sie zwei Konsultationsverfahren zu Reformvorschlägen mit hoher wettbewerbsrechtlicher Relevanz, u. a. für digitale Märkte, durch.

Mit dem Brexit wurde es notwendig, vormalige EU-Gesetzgebung in nationales Recht umzuwandeln oder durch neues nationales Recht zu ersetzen. Ein Konsultationsverfahren soll unter dem Titel "Reforming Competition and Consumer Policy: Driving growth and delivering competitive markets that work for consumers" (CP 488) eine umfangreiche Reform des Wettbewerbs- und Verbraucherschutzrechts vorbereiten. Eine zweite Konsultation widmet sich speziell den Wettbewerbsregeln für digitale Märke („A new pro-competition regime for digital markets", CP 489, (vgl. dazu auch FIW-Artikel vom 02.02.21).

Reformvorhaben: Wettbewerbs- und Verbraucherpolitik

Zum  Vorhaben „Reforming Competition and Consumer Policy" hat die Regierung ein Konsultationspapier veröffentlicht, das sich auf das Wettbewerbsrecht, Verbraucherschutzrechte und die generelle Durchsetzung des Verbraucherschutzes bezieht. Viele der Reformvorschläge kreisen um eine Neuaufstellung der britischen Wettbewerbsbehörde, der Competition and Markets Authority („CMA"). Die CMA soll in Zukunft regelmäßig Bericht zum Zustand des Wettbewerbs im Vereinigten Königreich erstatten. Des Weiteren sollen ihre Marktuntersuchungsprozesse effizienter und flexibler werden. Dazu werden neben Strukturveränderungen auch die Möglichkeit zum Erlass einstweiliger Maßnahmen und eine größere Flexibilität bei der Festlegung des Untersuchungsumfangs diskutiert. Des Weiteren könnte der CMA ermöglicht werden, während der Marktuntersuchung („market inquiry") verbindliche Zusagen von Unternehmen anzunehmen, um eine Untersuchung (in Teilen) abzuschließen.

Im Hinblick auf die Fusionskontrolle will die Regierung weiterhin an der freiwilligen  Notifizierung ohne aufschiebende Wirkung festhalten. Gleichzeitig sollen Umsatzgrenzen, an welche die Fusionskontrolle anknüpft, von GBP 70 Mio. auf GBP 100 Mio. erhöht werden. Ergänzend erwägt die britische Regierung einen „Share of supply"-Test, der die CMA zur Kontrolle ermächtigt, wenn ein an der Fusion beteiligtes Unternehmen einen Marktanteil von 25% für eine bestimmte Produkt- oder Dienstleistungskategorie im Vereinigten Königreich erreicht hat und dort mehr als £100 Mio. Umsatz erlöst. Eine Ausnahme soll bestehen, wenn jede der fusionierenden Einheiten weltweit weniger als GBP 10 Mio. Umsatz erzielt. Schließlich sollen auch die Durchsetzungswerkzeuge reformiert werden. Dazu erwägt die Regierung u. a. ein Verbot einzuführen, die Identität von Whistleblowern aufzudecken, die Möglichkeiten zur Zeugenvernehmung zu erweitern und härtere Strafen für Unternehmen vorzusehen, welche die Untersuchungen behindern. Des Weiteren wird diskutiert, ob die de-minimis-Grenze („immunity") für geringfügige Verstöße auf GBP 10 Mio. Jahresumsatz gesenkt werden soll. Derzeit können sich Unternehmen mit weniger als GBP 20 Mio. Umsatz darauf berufen.

Reformvorhaben: Neues Wettbewerbsrecht für digitale Märkte

Im zweiten Konsultationsverfahren (CP 489) werden Anpassungen des Wettbewerbsrechts für digitale Märkte vorgeschlagen. Der von der britischen Regierung verfolgte Ansatz baut auf den Empfehlungen des Expertengremiums für digitalen Wettbewerb unter dem Vorsitz von Prof. Furman auf und stützt sich auf die Empfehlungen der Taskforce für digitale Märkte. Im Kern werden in dem begleitenden Konsultationsdokument die Schaffung einer Digital Markets Unit („DMU") innerhalb der CMA und ein Verhaltenskodex für Unternehmen mit „strategischem Marktstatus" („Strategic Market Status", SMS) vorgeschlagen. Unternehmen mit diesem Status sind solche, die nach einer evidenzbasierten Analyse über eine etablierte und substanzielle Marktmacht hinsichtlich mindestens einer bestimmten digitalen Tätigkeit verfügen. Die spezielle Tätigkeit ist nicht näher definiert und wird wie folgt beschrieben:

The Digital Markets Unit should be able to group certain products, services and processes into a single activity if they all can be described as having a similar function or, if in combination, can be described as fulfilling a specific function. Examples of potential activities, based on the CMA's market study into online platforms and digital advertising include: Google Open Display - the products provided by Google to manage the buying, selling and selection of advertisements for display on websites; and Facebook's social media platforms - the products provided by Facebook that allow users, advertisers and publishers to interact and communicate with each other.

Von der möglichen Alternative, stattdessen die Märkte zu definieren und abzugrenzen, rät das Konsultationsdokument indes ab. Adressaten dieser Regelung sollen nur eine kleine Zahl von digitalen Schlüsselunternehmen werden. Die avisierte Regelung soll zudem flexibel genug sein, auch neue Adressaten, Geschäftsfelder und künftige Wettbewerbsprobleme zu erfassen.

Es sollte kein Bezug zu "digitalen Plattformaktivitäten" hergestellt werden müssen, da es an einer einheitlichen Definition dieser Aktivitäten fehle. Stattdessen sollte der Anwendungsbereich der Regelung auf Tätigkeiten beschränkt werden, bei denen digitale Technologien eine "Kernkomponente" der im Rahmen dieser Tätigkeit angebotenen Produkte und Dienstleistungen darstellen. Dadurch sollten Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen werden, die zwar eine digitale Komponente haben, aber im Wesentlichen nicht digital sind.

Für die betroffenen Unternehmen soll darüber hinaus ein Set von mehrstufigen Verhaltensregeln gelten. Diese sollen sich nur auf die Tätigkeit beziehen, die den SMS begründet. Es wird vorgeschlagen, dass sich die Verhaltensregeln an übergeordneten Zielen und Grundsätzen ausrichten, die festlegen, welches Verhalten von den Unternehmen erwartet wird oder welches Verhalten untersagt wird. Zentrale Ziele wären beispielsweise Fairness, Wahlfreiheit sowie Vertrauen und Transparenz sein. Vom Ziel der Wahlfreiheit soll insbesondere die Möglichkeit erfasst sein, dass Nutzer durch Interoperabilität ohne Hürden zwischen den Angeboten der SMS-Unternehmen wechseln können. Diese Ziele sollen dann zu verbindlichen Prinzipien (möglicherweise auch untergesetzlich) konkretisiert werden. All diese Regeln sollen verhindern, dass SMS-Unternehmen ihre Marktmacht auf Kosten von Wettbewerbern auf unlautere Art und Weise weiter verfestigen oder ausdehnen. Spezifisches missbräuchliches Verhalten soll ebenfalls adressiert werden.

Daran anknüpfend soll die Digital Markets Unit Leitlinien formulieren, wie SMS-Unternehmen die Vorgaben einhalten können.

Ebenso sollen sog. „wettbewerbsfördernde Interventionen" (pro-competitive intervention („PCI")) auf diese Aktivität beschränkt werden. Bei einem festgestellten wettbewerbsverzerrenden Effekt soll die DMU solche PCIs, d.h. spezielle Abhilfemaßnahmen, erlassen können, indem sie Vorgaben zur Interoperabilität macht, das betroffene Unternehme verpflichtet, Dritten den Zugang zu Daten zu gewähren oder SMS-Unternehmen verpflichtet, Verbrauchern eine bessere Kontrolle über ihre Daten einzuräumen.

Des Weiteren werden neue ergänzende Regeln für Fusionsvorhaben erwogen, an denen ein Unternehmen mit SMS-Status beteiligt ist. Dazu zählen:

Die Frist für Stellungnahmen zu beiden Konsultationen läuft noch bis zum 1. Oktober 2021.