29.11.2016

Stellungnahme des Bundesrats zur 9. GWB-Novelle

Am 25. November 2016 hat der Bundesrat zum Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Stellung genommen (Drucksache 606/16 (Beschluss).

Im Wesentlichen nimmt der Bundesrat zu den Vorschlägen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung wie folgt Stellung:

Abgelehnt wurde die vom Rechtsausschuss des Bundesrats vorgelegte Beschlussvorlage (Ziff. 12):

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung einer Ausfallhaftung in § 81a GWB-E verfassungsgemäß ist.

Zur Begründung hatte der Rechtsausschuss ausgeführt:

Es bestehen gegen § 81a GWB-E, der einen Tatbestand der Ausfallhaftung im Übergangszeitraum in die Bußgeldvorschriften des GWB einführt, aus bußgeldrechtlicher Sicht Bedenken im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der Norm. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt auch im Ordnungswidrigkeitenrecht das besondere Rückwirkungsverbot des Artikels 103 Absatz 2 des Grundgesetztes (vgl. BVerfGE 38, 348 <371>), welches einfachgesetzlich durch § 4 OWiG zum Ausdruck kommt. Dieses verfassungsrechtliche Prinzip, das jede rückwirkende Strafbegründung oder Strafschärfung verbietet sowie eine "Vorwirkung" von Gesetzen untersagt, wird in der Begründung des Gesetzesentwurfs selbst ausdrücklich genannt (vgl. BR-Drucksache 606/16, Seite 105), der - nach hiesiger Auffassung bestehende - Verstoß gegen dasselbe Prinzip aber dann im Wesentlichen nur durch tatsächlich entstandene Bedürfnisse nach einer Regelung wie der in § 81a GWB-E gerechtfertigt. Das überzeugt im Ergebnis nicht. Zwar ist es als gegeben anzusehen, dass im Übergangszeitraum bis zur Wirksamkeit dieses Gesetzesentwurfs in umfangreichen Kartellbußgeldverfahren Möglichkeiten und Anreize verbleiben, der Festsetzung und Vollstreckung einer angemessenen Geldbuße zu entgehen. Auch ist der Zweck der Regelung, nämlich zum einen Vermögensverschiebungen und Umstrukturierungen zu vermeiden und zum anderen dem europäischen Effektivitätsgebot Geltung zu verschaffen, adäquat. Dennoch vermag die rechtliche Begründung der Rechtmäßigkeit der Ausfallhaftung nicht zu überzeugen. Durch die Neuregelung des § 81a GWB wird die Haftung für Kartellverstöße, die Rechtsträger gemäß § 30 OWiG nach der alten (und bislang gültigen) Rechtslage begangen und gegen die deshalb ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist, auf Unternehmen im Sinne der neuen Vorschriften des § 81 Absatz 3a bis 3e GWB für einen Zeitraum vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erweitert. Damit können im Übergangszeitraum auch juristische Personen oder Personenvereinigungen wie auch externe Dritte betroffen sein, die nach der bislang gültigen Rechtslage nicht in den Kreis der Haftungsadressaten des § 30 Absatz 1 OWiG gehören. Das in § 4 OWiG einfachgesetzlich normierte Rückwirkungsverbot beinhaltet den Grundsatz, dass eine Handlung mit Geldbuße bedroht sein muss, bevor der Täter sie begeht, so dass das erst nach der Handlung geltende Recht nicht zuungunsten des Täters berücksichtigt werden kann (vgl. Göhler, OWiG, 13. Auflage, § 4 Rn. 2). Durch die Neuregelung des § 81a OWiG wird die Bußgeldverantwortlichkeit des Unternehmens und der betroffenen Unternehmensteile nachträglich begründet, es handelt sich also nicht nur um ein "haftungsrechtliches Einstehenmüssen" (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BR-Drucksache 606/16, Seite 106). Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll ein der eigentlichen Tat nachgelagertes Ereignis, nämlich das Erlöschen des eigentlichen Haftungsadressaten oder das Verschieben von Vermögen von dem Haftungsadressaten, der Rechtsgrund der Ausfallhaftung sein. Tatsächlich ist dieses nachgelagerte Ereignis aber nicht an sich bußgeldbewehrt und kann daher auch nicht den Rechtsgrund für eine Haftung Dritter bilden. Ebenfalls ist zur Begründung der Haftungsverantwortlichkeit nicht - wie es die Begründung des Gesetzentwurfs vorsieht - darauf abzustellen, dass die Rechtsnachfolger Kenntnis von der Einleitung des Bußgeldverfahrens haben oder haben könnten. Vielmehr ist die Kenntnis der neuen Regelungen dieses Gesetzesentwurfs, der als einen zentralen Punkt die Haftungsverschärfung für Unternehmen regelt, entscheidend für die Begründung der Ausfallhaftung. Diese Kenntnis kann aber in keinem Fall generell vorausgesetzt werden. Es besteht auch keine zu schließende generelle Regelungslücke, da bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes die Haftung für Rechtsnachfolger durch § 30 Absatz 2a OWiG geregelt ist. Die Anwendung der neuen - verschärften - Regelungen im Übergangszeitraum - das heißt bis zur vollen Wirksamkeit dieser Neuregelung - zuungunsten der betroffenen juristischen Personen oder Personenvereinigungen oder auch Dritter stellt daher einen Verstoß gegen Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes dar; die Vorschrift des § 81a GWB-E ist daher nach hiesiger Auffassung nicht verfassungskonform. Soweit in der Begründung des Gesetzentwurfs das "veranlasste Erlöschen" einer verantwortlichen Gesellschaft als Rechtsgrund der Ausfallhaftung bezeichnet wird (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs in BR-Drucksache 606/16, Seite 106), ist ergänzend auszuführen, dass die Löschung Gesellschaft durchaus nicht immer auf Veranlassung der Haftenden erfolgen muss (vgl. § 394 FamFG).

Hintergrund:

Am 10. November 2016 fand die erste Lesung (um 14:35 Uhr) im Bundestag zur 9. GWB-Novelle (BT-Drucksache18/10207) statt. Am 28. September 2016 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Regierungsentwurf zur 9. GWB-Novelle) veröffentlicht. Der Referentenentwurf war am 1. Juli 2016 veröffentlicht worden (vgl. FIW-Berichte vom 14.07.16, 29.09.16 und 10.11.16).