13.10.2015
Rede (Margrethe Vestager) anlässlich der 42. Internationalen Kartellrechtskonferenz an der Fordham University, New York, 2. Oktober 2015
EU
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https://ec.europa.eu/commission/2014-2019/vestager/announcements/competition-telecom-markets_en |
Die EU-Kommissarin für Wettbewerb, Margrethe Vestager, sprach am 2. Oktober 2015 an der Fordham University in New York anlässlich der 42. Internationalen Kartellrechtskonferenz über wettbewerbliche Fragestellungen in den Telekommunikationsmärkten.
Im Rahmen eines kurzen Rückblicks stellte sie zunächst kurz fest, dass in der EU nationale Monopole in den neunziger Jahren aufgehoben worden seien. Im Gegensatz zu den USA existiere ein paneuropäischer Markt jedoch noch nicht. Die vier größten Anbieter hätten einen Marktanteil von 60 Prozent innerhalb der EU.
Anschließend führte sie aus, dass Fusionen im Mobilfunksektor anhand nationaler räumlicher Marktdefinitionen bewertet würden. Die in den letzten Jahren geprüften Zusammenschlüsse im Mobilfunksektor seien jeweils unter Auflagen genehmigt worden. In allen Fällen hätte der Markt vor dem Zusammenschluss aus vier und danach aus drei Wettbewerbern bestanden.
Vestager ging insbesondere näher auf den dänischen Markt ein. Hier sei ein Joint Venture der schwedisch-finnischen TeliaSonera und der norwegischen Telenor beabsichtigt gewesen. Die beiden Unternehmen hätten von dem Vorhaben aber letztlich Abstand genommen. Vestager betonte, dass die Kommission den Zusammenschluss andernfalls wohl unterbunden hätte. Die Wettbewerbsverhältnisse auf dem dänischen Markt seien insgesamt positiv zu bewerten. Es bestehe starker Wettbewerbsdruck, hohe Auswahl für Kunden, und der dänische Markt sei auch technologisch weit fortgeschritten. Ein Joint Venture hätte auf diese Verhältnisse negative Auswirkungen haben können. Wäre es zu einem Joint Venture gekommen, hätte es zwei starke Unternehmen mit einem gemeinsamen Marktanteil von Prozent gegeben. Vestager führte weiter aus, dass die beiden fusionswilligen Gesellschaften bereits ein starkes gemeinsames Netzwerk gehabt hätten. Ein Zusammenschluss hätte wettbewerbsschädigende einseitige Effekte (unilateral effects) für sämtliche Kunden bedeutet. Dass es, wie von den Unternehmen vorgetragen, zu stärkeren Investitionen infolge des Zusammenschlusses hätte kommen können, lasse sich nicht nachweisen. Selbst wenn es zu solchen Investitionen kommen würde, könnten diese die durch Preissteigerungen eintretenden Nachteile nicht überwiegen. Akzeptable Abhilfemaßnahmen seien ebenfalls nicht vorgeschlagen worden. Die Vorschläge, die unter anderem auf die Ermöglichung des Markteintritts eines vierten Anbieters abzielten, seien in ihren Wirkungen äußerst zweifelhaft und mithin nicht ausreichend gewesen. Ein unabhängiger vierter Wettbewerber hätte nicht hervorgebracht werden können.
Als wesentliche Erkenntnisse könne man an dem dänischen Zusammenschlussverfahren ablesen, so Vestager, dass es keine „magische Anzahl" an Netzwerkbetreibern gebe, die für jeden Markt Geltung haben könne. Es müsse vielmehr stets eine Einzelfallbetrachtung durchgeführt werden. Als zweiten Punkt ging Vestager näher auf die Verbindung von Wettbewerb und Investitionen ein. Auch im Telekommunikationsbereich bestünden für Unternehmen in einem Markt mit schwachem Wettbewerb weniger Anreize für Investitionen. Entscheidend sei dabei nicht das Verhältnis zwischen Wettbewerb und Investitionen als solchen, sondern zwischen Wettbewerb und Netzwerkqualität, bzw. Preis pro Kunde. Es werde oft das Argument vorgebracht, Konsolidierung führe zu größeren, besseren und effizienteren Netzwerken. Verbraucher hätten aber unterschiedliche Interessen. Manche bevorzugten ein günstiges Angebot, andere erwarteten möglichst hohe Qualität und würden hierfür auch entsprechend hohe Preise zahlen. Zu prüfen sei, ob die potentiellen Mehrinvestitionen wahrscheinlich und fusionsspezifisch seien und ob sie letztlich Vorteile für den Endkonsumenten böten. Nach Vestagers Erkenntnissen seien nur in wenigen Fällen diese Kriterien erfüllt.
Als dritten Gesichtspunkt äußerte sich Vestager dahingehend, dass ein vierter Anbieter im dänischen Fall hilfreich gewesen wäre. Angesichts dessen seien die jüngsten Fälle aus Österreich, Irland und Deutschland, bei denen bereits die Errichtung eines Betreibers von virtuellen Mobilfunknetzen als ausreichend angesehen worden sei, durchaus kritisch zu hinterfragen. Jedenfalls sei eine Abhilfemaßnahme umso besser, je strukturbezogener sie wirke. Andere Maßnahmen seien weniger effektiv, schwieriger zu überwachen und zeitlich befristet.
Abschließend führte Vestager aus, dass die Kommission das EU-Telekommunikationsrecht überprüfen wolle. Es sei noch mehr Wettbewerb erforderlich, damit alle von einem digitalen Binnenmarkt profitieren könnten. Der europäische Telekommunikationsmarkt müsse ein Paradoxon überwinden: Einerseits verbinde uns die Technologie mit der ganzen Welt, andererseits seien die Telekommunikationsmärkte im Wesentlichen immer noch national bestimmt.