09.12.2015
Rede (London School of Economics) von Margrethe Vestager: „Perspectives on Europe“
EU
|
https://ec.europa.eu/commission/2014-2019/vestager/announcements/perspectives-europe_en |
In ihrer Rede vom 20. November 2015 an der London School of Economics („Perspectives on Europe") lobte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager insbesondere die bisherige Arbeit des European Competition Network (ECN).
Ein großer Vorteil vom ECN läge in der engen Zusammenarbeit der nationalen Behörden der Mitgliedsstaaten mit der Kommission. Seit 2004 hätten die nationalen Kartellbehörden nunmehr 85% der Entscheidungen, die unter europäisches Wettbewerbsrecht fallen, getroffen. Hierbei sei es wichtig, dass die nationalen Kartellbehörden über ein lokales Wissen verfügten, welches auch bei Ermittlungen der Kommission selbst sehr hilfreich sei. Die erfolgreiche Vorgehensweise von Kartellrechtsbehörden - auch in Zusammenarbeit mit der Kommission - sei aufgrund der gemeinsamen Ziele des europäischen Kartellrechts möglich. Hierdurch werde sichergestellt, dass unabhängig von der jeweiligen Durchsetzung und Vollstreckung überall die gleichen Standards gelten.
Im Hinblick auf die neuen Herausforderungen digitaler Märkte bezog sich Vestager auf den gemeinsamen Bericht Frankreichs und Großbritanniens im Dezember 2014, welcher digitale Ökosysteme verglichen habe, sowie eine avisierte Studie Deutschlands und Frankreichs, welche sich mit der Marktmacht von Unternehmen aufgrund der Ansammlung personenbezogener Daten befassen werde. Als besonders wichtig hob Vestager die Durchsetzung und Vollstreckung bestehender Standards hervor. Zwar bestünden hierfür auch ECN-Empfehlungen, diesen seien jedoch Grenzen gesetzt. So gäbe es Behörden, die nicht die rechtlichen Befugnisse hätten, um ausreichende Beweissicherungen durchzuführen, beziehungsweise um Bußgelder mit hinreichend abschreckender Wirkung zu verhängen. Mitunter hätten Behörden auch keine starken Garantien ihrer Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit.
Die Beweissicherung durch die Kommission hingegen fuße auf dem Kronzeugenprogramm („leniency programme"). Der Anreiz, den der Bußgelderlass biete, habe letztlich zur Folge, dass das Vertrauen von Unternehmen in das Bestehen des Kartells erschüttert werde, was letztlich zur Aufgabe des Kartells führe. Beachtung verdiene jedoch die Tatsache, dass jedes ECN-Mitglied sein eigenes Kronzeugenprogramm habe und daher nicht sichergestellt werden könne, dass ein Unternehmen als erstes gleichzeitig bei jeder Wettbewerbsbehörde einen Kronzeugenantrag stellen könne. Angesichts verschiedener Voraussetzungen und Verfahrensweisen der unterschiedlichen Systeme könne ein Unternehmen nicht sicher sein, als erster einen Antrag gestellt und von der Kronzeugenregelung profitieren zu können.
Im Hinblick auf Bußgelder sagte Vestager, dass es wichtig sei, dass diese hoch genug seien, um Unternehmen von kartellrechtswidrigem Verhalten abzuhalten. Problematisch sei insofern, dass in der EU kein einheitlicher Standard für Bußgelder bestünde. Dies führe wiederum dazu, dass einige Unternehmen das Aufdeckungsrisiko einer Kartellbildung in Kauf nähmen. Letztlich sei es daher wichtig, eine starke Durchsetzung und Vollstreckung zu gewährleisten; nur so könne ein funktionierender Wettbewerb gewährleistet werden. Hierfür sei eine Zusammenarbeit der Kommission mit starken, unabhängigen nationalen Kartellbehörden unerlässlich.