28.09.2015
Rede (IBA Competition Conference) von Margrethe Vestager: „Intellectual Property and Competition“
EU
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https://ec.europa.eu/commission/2014-2019/vestager/announcements/intellectual-property-and-competition_en |
In ihrer Rede bei der 19. IBA Competition Conference in Florenz am 11. September 2015 legte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager den Schwerpunkt auf zwei aktuelle Themen des geistigen Eigentums, angelehnt an das im Jahr 1421 als eines der ersten verabschiedete Statut der Florentiner Republik zum Schutz geistiger Erzeugnisse.
Zwar seien, so Vestager, mit den Rechten zum Schutz des geistigen Eigentums auch Nachteile für eine funktionierende und dynamische Wirtschaft verbunden, beispielsweise wenn Verbraucher keinen Zugriff auf neue Erfindungen hätten bzw. diese nur erheblich verteuert erhältlich seien. Andererseits betonte Vestager jedoch, dass wettbewerbliche Regelungen erforderlich seien, um zu gewährleisten, dass auch in Zukunft noch jeder die Möglichkeit hat, innovativ zu arbeiten. Daher sprach sie sich für ein Zusammenspiel von Wettbewerbspolitik und geistigem Eigentum aus.
Im Zusammenhang mit standard-essentiellen Patenten (SEPs) lobte Vestager grundsätzlich, dass Standards eine Interoperabilität verschiedener Geräte unterschiedlicher Unternehmen erlaubten und auf diese Weise konkurrierende Unternehmen kooperieren müssten. Dies werde, wenn ein Unternehmen sich einen Standard habe patentieren lassen, anhand von FRAND- (fair, reasonable, and non-discriminatory) Voraussetzungen geregelt, über welche jedoch häufig Uneinigkeit bestehe und sogar ein sogenannter „Smartphone Krieg" ausgebrochen sei. Einer der größten Streitpunkte betreffe die Frage, ob Inhaber eines SEP berechtigt seien, eine Unterlassungsklage gegen Konkurrenten anzustrengen, die gegen die zuvor ausgehandelten FRAND-Voraussetzungen verstoßen haben. Die klar ablehnende Position der Kommission sei schon 2014 in den Entscheidungen zu Motorola und Samsung deutlich geworden. In Florenz erklärte Vestager diese Haltung mit der außerordentlichen Bedeutung eines Standard-essentiellen Patents, bei dessen Anmeldung man sich als Unternehmen von vorneherein bewusst sei, dass eine Verpflichtung bestehen würde, andere Unternehmen daran teilhaben zu lassen. Somit habe man sein Recht auf eine Unterlassungsklage aufgegeben. Die Kommissarin begrüßte, dass diese Ansicht jetzt durch den EuGH in seiner Entscheidung Huawei/ZTE bestätigt worden sei.
Als zweites ging Vestager auf den Internethandel im digitalen Binnenmarkt ein, der stark von sprachlichen, regulatorischen sowie vertraglichen Hindernissen geprägt sei. Sie wies auf die im Juli übermittelten Beschwerdepunkte gegenüber sechs amerikanischen Filmstudios und dem britischen Sender Sky UK hin, welche jeweils vereinbart hatten, dass Sky UK seine Pay-TV-Dienste nur innerhalb Großbritanniens und Irlands zur Verfügung stellt. Ohne diese Klauseln hätte Sky UK über die territoriale Verteilung von Lizenzen nach Ansicht der Kommission aus rein wirtschaftlichen Beweggründen entscheiden können; so handelten die Unternehmen nach dem vorläufigen Ergebnis der Untersuchungen jedoch kartellrechtswidrig, indem zwischenstaatliche „passive Verkäufe" (auf Anfrage eines nicht im Lizenzgebiet ansässigen Verbrauchers) unterbunden würden. Vestager betonte, dass die territoriale Exklusivität nicht als solche in Frage gestellt werde, sondern nur dann, wenn sie vertraglich bedingt sei und zahlungswilligen Verbrauchern die Möglichkeit des grenzübergreifenden Zugriffs auf die Dienstleistung gänzlich verwehre. In diesem Zusammenhang wies die Kommissarin außerdem auf die im Mai von der Kommission initiierte Sektoruntersuchung im Bereich des Internethandels hin (siehe FIW-Bericht vom 08.05.2015).
Es sei notwendig, so Vestager abschließend, dass Wettbewerbsrecht und die Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums sowie weitere einschlägige Rechtsbereiche zusammenwirkten. Nicht immer sei das Kartellrecht der beste Weg, um bestehende Wettbewerbsverzerrungen auszuräumen, da diese auch in anderen Gebieten wurzeln könnten.