22.04.2015
Rede (GD Wettbewerb) von Wettbewerbskommissarin Vestager zu “Competition policy in the EU: Outlook and recent developments in antitrust”
EU
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https://ec.europa.eu/commission/2014-2019/vestager/announcements/competition-policy-eu-outlook-and-recent-developments-antitrust_en |
Bei einer Rede beim Peterson Institute for International Economics in Washington DC am 16. April 2015 (veröffentlicht am 17. April 2015) sprach die Wettbewerbskommissarin, Margreth Vestager, über ihre „Wettbewerbspolitik in der EU: Ausblick und jüngere Entwicklungen im Wettbewerbsrecht" („Competition policy in the EU: Outlook and recent developments in antitrust").
Es war das erste Mal, dass Vestager seit ihrem Amtsantritt in den USA offiziell als Wettbewerbskommissarin gesprochen hat. Sie sagte, dass die Wettbewerbspolitik im Mittelpunkt des europäischen Integrationsprozesses stehe. Vestager verglich den Ausgangspunkt des EU-Binnenmarkts mit der US-Wirtschaft. Es gelte, dessen Potenzial genauso anzuzapfen, wie es die Amerikaner täten, um die europäischen Wirtschaft voranzubringen. Die Durchsetzung des Wettbewerbs sei es dabei, den Binnenmarkt offen zu halten und dessen Effizienz zu ermöglichen. Man müsse „zu Hause" wettbewerbsfähig zu sein, um auf einem globalen Feld zu reüssieren.
Vestager konzentrierte sich in ihrer Rede auf einige Kommissionsinitiativen der letzten Zeit: die Energieunion, die digitale Marktstrategie und das Google-Verfahren.
Energieunion:
Die Schaffung einer Energieunion sei ein weiterer Schwerpunkt der Kommission in Richtung eines untereinander verbundenen integrierten und sicheren Energiemarkts. Problematisch sei, dass die nationalen Energienetze untereinander nicht gut miteinander verbunden seien; hier seien erhebliche Investitionen von Nöten. Eine konsequente Durchsetzung des Wettbewerbsrechts verhelfe Investoren dabei zu mehr Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit. Wettbewerbsbehörden müssten entschieden gegen Energieunternehmen vorgehen, die Wettbewerber behindern und drohten, Energieflüsse von einem Mitgliedstaat in den anderen zu blockieren oder dies tatsächlich machten. Hier habe die Kommission bereits einige Fortschritte zu verzeichnen. Es habe zudem bereits Missbrauchsverfahren gegen „incumbents" gegeben.
Digitaler Binnenmarkt:
Vestager erwähnte, dass die Schaffung eines „digitalen Binnenmarktes" zu den Prioritäten der Kommission gehöre und es darum gehe, noch bestehende Hürden bei der vollen Entfaltung des digitalen Sektors zu beseitigen und den Binnenmarkt für physische Güter auf die digitale Welt auszudehnen. Das digitale Europa sei nach wie vor sehr zersplittert, und es bestehe noch großer Nachholbedarf. Im vergangenen Jahr hätten nur 15 Prozent der Verbraucher über die Landesgrenzen hinweg eingekauft, und nur 7 Prozent der KMU hätten grenzüberschreitend verkauft. Darüber hinaus gebe es Anzeichen für verschiedene Arten von Online-Verkaufsbeschränkungen, die grenzüberschreitenden elektronischen Geschäftsverkehr behinderten. So könnte Verbrauchern der Zugang zu bestimmten Websites verwehrt werden. Vestager wiederholte ihre Absicht, in den nächsten Wochen eine Sektoruntersuchung im Bereich E-Commerce durchzuführen, um die vertraglichen Beschränkungen beim grenzüberschreitenden Online-Handel aufzudecken.
Google-Verfahren:
Vestager berichtete über die jüngsten Entwicklungen im Google-Verfahren. Dem habe sie seit ihrem Amtsantritt im November letzten Jahres hohe Priorität gegeben. Sie berichtete darüber, dass die Kommission einen Tag zuvor ein förmliches Verfahren gegen Google eröffnet habe und die Mitteilung der Beschwerdepunkte - vergleichbar der Anklageschrift in den USA - übermittelt habe. Daneben sei ein förmliches Prüfverfahren über das Verhalten von Google hinsichtlich des Betriebssystems für mobile Geräte Android eingeleitet worden. Die Mitteilung der Beschwerdepunkte beschreibe die vorläufige Auffassung der Kommission im Hinblick auf die bevorzugte Behandlung der eigenen Preisvergleichsseiten (Google Shopping) im Vergleich zu denen der Konkurrenten. Darin liege nach vorläufiger Auffassung der Kommission ein Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung von Google im Bereich der allgemeinen Suchmaschine. Die Kommission gehe von Marktanteilen Googles in Höhe von 90 Prozent bei der Bereitstellung allgemeiner Online-Suchdienste aus. Google habe jetzt 10 Wochen Zeit für seine Antwort. Die Kommission habe vor allem Bedenken, dass die Nutzer bei ihrer Suche nicht unbedingt die für sie relevantesten Ergebnisse zu sehen bekommen. Das würde den Verbrauchern und konkurrierenden Preisvergleichsdiensten schaden und Innovationen bremsen.
Ausstehende weitere (drei) Bedenken würden von der Kommission weiter untersucht. Bei diesen gehe es um Folgende: Kopieren von Webinhalten konkurrierender Unternehmen, Exklusivwerbung und übermäßige Beschränkungen für werbende Unternehmen (vgl. dazu auch FIW-Bericht vom 20.04.2015).
Bei dem Prüfverfahren über das Verhalten von Google hinsichtlich des Betriebssystems für mobile Geräte Android werde die Kommission untersuchen, ob Google die Entwicklung und den Marktzugang konkurrierender mobiler Anwendungen oder Dienste behindert habe, indem es von Smartphone- und Tabletherstellern verlangt oder ihnen einen Anreiz geboten hat, ausschließlich googleeigene Anwendungen oder Dienste vorzuinstallieren. Weiter werde untersucht, ob Google eine Bündelung bestimmter auf Android-Geräten vertriebener Google-Anwendungen mit anderen Anwendungen und Dienstleistungen vorgenommen habe. Letztlich werde auch Prüfgegenstand sein, ob Google die Fähigkeit der Hersteller von Smartphones oder Tablets behindere, die ein Android-Betriebssystem verwenden wollten, an der Entwicklung und dem Vertrieb veränderter und potenziell konkurrierender Versionen von Android (sogenannte „Android-Forks") gehindert habe.
Vestager wies zum Abschluss darauf hin, dass man die Verhaltensweisen von Google und anderen Internet Playern unter verschiedenen rechtlichen Aspekten (z. B. unter Copyright-oder Datenschutzgesichtspunkten beurteilen könne), die Beschwerdepunkte sich jedoch ausschließlich nach kartellrechtlichen Maßstäben richteten. Die „Nationalität" eines Unternehmens spiele bei den Untersuchungen durch die Kommission keine Rolle, auch wenn U.S.-amerikanische Unternehmen oft zu den starken Internet-Unternehmen gehörten. U.S.-amerikanische Unternehmen seien andererseits aber auch öfter auf Seite der Beschwerdeführer und befänden sich damit auf beiden Seiten im Fokus der europäischen Kommission.
Vestager nannte noch einige Statistiken zur Bebußung von europäischen und U.S.-amerikanischen Unternehmen. Zwischen 2010 und 2014 habe die Kommission in 30 Kartellentscheidungen 231 Unternehmen mit insgesamt 8,9 Mrd. EUR bebußt. Davon erhielten 190 europäische Unternehmen Geldbußen von insgesamt 4,8 Mrd EUR, während 17 U.S.-amerikanische Unternehmen mit 652 Mio. EUR bebußt wurden - nur etwa mit 7 Prozent des Gesamtbetrags.