17.06.2022

Österreich: Bundeswettbewerbsbehörde legt Leitlinien zu Nachhaltigkeitskooperationen vor (Konsultation)

Österreich Österreich-02-08-22
Bundeswettbewerbsbehörde
Wettbewerbsrecht
Nachhaltigkeit
Leitlinien
Kooperationen

 

Noch bis zum 22. Juni 2022 konsultiert die österreichische Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) zu ihrem Leitlinienentwurf zu Nachhaltigkeitskooperationen („Leitlinien zur Anwendung von § 2 Abs 1 KartG auf Nachhaltigkeitskooperationen [Nachhaltigkeits-LL]").

Der österreichische Gesetzgeber hatte bereits mit dem Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2021 (KaWeRÄG 2021) in Eigeninitiative eine stärkere Orientierung des (nationalen) Kartell- und Wettbewerbsrechts an den Nachhaltigkeitszielen vorgenommen und wollte damit schon im letzten Jahr einen Beitrag zur noch andauernden Diskussion auf europäischer Ebene leisten. Die Gesetzesänderung war am 10.09.2021 in Kraft getreten. Wichtige Weichenstellung war, dass Kooperationen von Unternehmen, welche zwar wettbewerbsbeschränkende Effekte aufweisen, aber gleichzeitig wesentlich zur Erreichung bestimmter Nachhaltigkeitsziele beitragen, in weiterem Umfang als bisher von der Möglichkeit der Freistellung vom Kartellverbot profitieren können. Da Nachhaltigkeitseffekte oft nicht spezifisch bei den von der Wettbewerbsbeschränkung betroffenen Verbrauchergruppen auftreten, sondern vielmehr der Allgemeinheit bzw. erst zeitversetzt zugutekommen, konnten diese bislang nach den bisherigen Freistellungsvoraussetzungen nicht oder nur beschränkt berücksichtigt werden.

Konkret wurde mit folgender Ergänzung in der Ausnahmeregelung des § 2 Abs 1 KartG die Möglichkeit einer stärkeren Berücksichtigung von ökologischen Vorteilen bei der kartellrechtlichen Beurteilung potentiell wettbewerbsbeschränkender Kooperationen vorgenommen - vgl. RIS - Kartellgesetz 2005 - Bundesrecht konsolidiert, Fassung vom 17.06.2022 (bka.gv.at):

„Die Verbraucher sind auch dann angemessen beteiligt, wenn der Gewinn, der aus der Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung oder der Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts entsteht, zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft wesentlich beiträgt."

Damit wurde eine in der EU bislang einzigartige „Nachhaltigkeitsausnahme" für die Freistellungsvoraussetzung „angemessene Verbraucherbeteiligung" geschaffen. Dadurch fallen nun die europäischen und österreichischen Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Kartellverbot für den spezifischen Bereich der „Nachhaltigkeitsvereinbarungen" bzw. - „kooperationen" auseinander. Der österreichische Gesetzgeber hatte zudem im letzten Jahr angeregt, die BWB möge Leitlinien zur Präzisierung der Praxisanwendung der neuen Regelung veröffentlichen. Dieser Anregung hat die BWB mit dem Leitlinienentwurf Folge geleistet. Die Leitlinien sollen den Unternehmen eine Hilfestellung bieten, wie die BWB die neue Bestimmung auslegt und anzuwenden beabsichtigt.

Die Leitlinien erläutern den Anwendungsbereich der "Nachhaltigkeitsausnahme" näher. Abgegrenzt werden Effizienzen, die zu einer ökologisch nachhaltigen oder klimaneutralen Wirtschaft beitragen von herkömmlichen wirtschaftlichen Effizienzen. Abgegrenzt werden auch kartellrechtsneutralen Kooperationen sowie eine allgemeine Rechtfertigung über wirtschaftliche Effizienzen. Näher konturiert werden das Wesentlichkeitsmerkmal der Vorschrift, um „Greenwashing" zu vermeiden, und die „Unerlässlichkeit" der Kooperation zur Zielerreichung. Die Leitlinien enthalten zudem Hinweise zum Nachweis und zu den Methoden der Quantifizierung von Nachhaltigkeitseffekten.

PM: Leitlinien für Unternehmen zu Nachhaltigkeitskooperationen: Konsultation bis 22.06.2022: BWB Bundeswettbewerbsbehörde

Leitlinienentwurf: Leitlinien zur Anwendung von § 2 Abs 1 KartG auf Nachhaltigkeitskooperationen (Nachhaltigkeits-LL) (bwb.gv.at)