08.06.2015

Neuauflage des gemeinsamen Leitfadens zur Vergabe von Wegerechten für Strom- und Gasnetze durch Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur

Am 22. Mai 2015 haben das Bundeskartellamt und die Bundesnetzagentur eine zweite, überarbeitete Auflage ihres gemeinsamen Leitfadens zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen sowie zum Wechsel des Konzessionsnehmers veröffentlicht. Die Neuauflage berücksichtigt Gesetzesnovellen und die Entwicklung der Rechtsprechung seit der ersten Auflage des Leitfadens vor fünf Jahren (vgl. dazu FIW-Bericht vom 10.01.2011).

Hintergrund:

Der erste Leitfaden stammte vom Dezember 2010. Anlass dafür war, dass ein Großteil der bestehenden, auf ca. 20.000 geschätzten Konzessionsverträge für Strom und Gas, deren Laufzeit auf 20 Jahre begrenzt war, in den vergangenen Jahren ausgelaufen sind bzw. laufen in den kommenden Jahren auslaufen. Dazu zählen die Wegenutzungsverträge in den großen Städten Berlin, Hamburg, Stuttgart und Bremen. Die Konzessionen für den Strom- und Gasbereich beziehen sich seit dem Jahr 2005 nur noch auf die Strom- und Gasverteilernetze (Vergabe der örtlichen Wegerechte) und damit auf den entgeltlichen Netzbetrieb für die örtliche Bevölkerung. Für die auslaufenden Konzessionen werden fortlaufend neue Konzessionsverträge abgeschlossen. Für die Neuvergabe sind allein die Kommunen zuständig. Für diese und viele Energieversorgungsunternehmen stellt daher die Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen seit ein paar Jahren ein wichtiges Thema dar.

Überarbeiteter Leitfaden:

Im überarbeiteten Leitfaden sind die Entwicklung der Rechtsprechung und Gesetzesänderungen eingearbeitet worden. Hierzu zählen etwa die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes im Jahre 2011 sowie insbesondere die Grundsatzentscheidungen des BGH von Dezember 2013 und Juni 2014 zu den Anforderungen an eine diskriminierungsfreie, transparente und nach wettbewerblichen Kriterien durchzuführende Vergabe. Der Leitfaden berücksichtigt auf diese Weise wichtige Fragen und Probleme, die in der Praxis aufgetreten waren. Er geht auch auf aktuelle Fragen zur Gewichtung der Auswahlkriterien, zur Bildung von Unterkriterien, zu dem Auswahlverfahren und der Auswahlentscheidung sowie dem Umfang der Informationsherausgabe an die Gemeinde ein.

Auch im überarbeiteten Leitfaden wird angesichts der Praxis zur Neukonzessionierung festgestellt, dass gegenwärtig ein Trend zur Rekommunalisierung besteht: Das heißt, dass Strom- und Gaskonzessionen von den Kommunen vermehrt an kommunale Unternehmen vergeben werden. Der Leitfaden soll in erster Linie den Gemeinden und betroffenen Unternehmen als Orientierungshilfe für die Neuvergabe der Konzessionen dienen und versucht dabei auch, auf einige höchstrichterlich noch nicht geklärte Fragestellungen einzugehen.

Konzessionsvergabe und Kartellrecht

Im aktuellen Leitfaden wird erneut festgestellt, dass sämtliche Neukonzessionierungen dem Kartellrecht unterliegen. Das Vergaberecht findet keine Anwendung, da der Neuabschluss von Konzessionsverträgen keine öffentlichen Aufträge über Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen im Sinne von § 99 GWB zum Gegenstand haben. Hier geht es um die entgeltliche Vergabe von Wegerechten. Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur weisen darauf hin, dass die Kommunen bei der Vergabe der Konzession aufgrund ihrer marktbeherrschenden Stellung eine besondere Verantwortung für den Wettbewerb um die Konzession, aber auch für den Wettbewerb auf den Endkundenmärkten innehaben. Hierzu heißt es wörtlich im Leitfaden (S.8): 

Da die Wegenutzungsrechte unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit sind, vermitteln sie der öffentlichen Hand als Rechtsinhaberin die Monopolstellung beim Angebot, die sie nicht zur diskriminierenden Verdrängung privater Wettbewerber, mit denen sie auf Nachfrageseite als Bewerber um die Wegenutzungsrechte und damit um den Netzbetrieb konkurriert, missbrauchen darf.

Der kartellrechtliche Teil des Leitfadens befasst sich vor allem mit der Auswahl des Konzessionärs durch die jeweilige Gemeinde. Jede Gemeinde ist bei der Neuvergabe der örtlichen Wegerechte absolut marktbeherrschend. Sie darf daher ihre marktbeherrschende Stellung nicht missbrauchen. Sie muss die Konzession transparent und diskriminierungsfrei vergeben und Chancengleichheit für alle Anbieter sicherstellen. Auch darf sie nicht gegen §§ 1 GWB, 21 Abs. 2 bzw. Art. 101 AEUV verstoßen.