19.06.2015

Gemeinsames Positionspapier von BMWi, kommunalen Spitzenverbänden und VKU zur kommunalen Daseinsvorsorge und TTIP

Am 12. Juni 2015 haben das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, die Spitzenverbände der Kommunalwirtschaft und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) ein gemeinsames Positionspapier zu den Verhandlungen über die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)  sowie  zum Handelsabkommen mit Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) und zum in der Verhandlung befindlichen Dienstleistungsabkommen (Trade in Services Agreement TiSA) veröffentlicht.

Anlass war die Sorge, dass die Qualität der so genannten Daseinsvorsorge durch TTIP leiden würde. Hierzu heißt es in dem Papier:

 

TTIP wirft Fragen auf, die auch die Erbringung von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge vor Ort betreffen können. Die kommunale Daseinsvorsorge ist ein wichtiges Element in der EU, das den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt fördert. Sie darf durch Freihandelsabkommen der EU nicht gefährdet werden. Die Erbringung zahlreicher Aufgaben der Daseinsvorsorge durch kommunale und öffentliche Einrichtungen hat in unserer Gesell-schaft eine lange Tradition. Die Kommunen betätigen sich wirtschaftlich, auch durch eigene Unternehmen und Einrichtungen, um öffentliche Aufgaben zu erfüllen. Sie haben im Rahmen der Daseinsvorsorge die Aufgabe, für ihre Bürgerinnen und Bürger effizient und kostengünstig ein gleichwertiges, diskriminierungsfreies, verlässliches und flächendeckendes Angebot jeweils vor Ort notwendiger Dienstleistungen hoher Qualität zu gewährleisten.


Laut begleitender Pressemitteilung sagte Bundesminister Gabriel explizit: 

Die Aufgaben der Daseinsvorsorge müssen wie bisher durch Städte, Landkreise, Gemeinden und ihre Unternehmen vor Ort wahrgenommen werden können. Die Daseinsvorsorge ist ein Eckpfeiler für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Wir brauchen Bildungseinrichtungen, Gesundheitsvorsorge, Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, ein möglichst breites Kulturangebot und vieles andere mehr, das allein unter Gesichtspunkten der Marktrationalität häufig nicht flächendeckend bereit gestellt werden kann. Weder TTIP noch ein anderes Handelsabkommen kann und wird daran etwas ändern."

Anmerkung der Redaktion: Diese Lesart steht für ein äußerst weites Verständnis der so genannten Daseinsvorsorge, nämlich einer Vor- oder Fürsorge für Leistungen, die nur vom Staat bereitgestellt werden können. Man kann sagen, dass dies heute nur noch für einige hoheitliche Aufgaben zutrifft. Die unter dem Sammelbegriff der Daseinsvorsorge angesiedelten Dienste, die früher von Bund, Ländern und Kommunen hoheitlich wahrgenommen wurden, werden heute allerdings in immer größerem Umfang auch von Privaten angeboten. Auch die EU geht davon aus, dass die „Leistungen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse“ (Art. 108 AEUV) in der Regel im Wettbewerb zu erbringen sind.

In den bisherigen veröffentlichten Verhandlungspapiere von TTIP wird allenfalls klargestellt, dass für Unternehmen in der Europäischen Union, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind oder den Charakter eines Finanzmonopols haben, die vereinbarten Wettbewerbsregeln insoweit gelten, als dass ihre Anwendung nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Damit soll auch TTIP nicht hinter dem geltenden Recht der Europäischen Union zurückbleiben, geht aber vor allem auch nicht mit weiteren Ausnahmen von den Wettbewerbsregeln darüber hinaus (vgl. dazu FIW-Bericht vom 09.03.15).

TTIP soll zudem gemäß dem Papier zu staatlichen Unternehmen garantieren, dass Monopole und staatliche Unternehmen in einer nicht-diskriminierenden Weise agieren. Gleichzeitig werden die Vertragsparteien nicht gehindert, Monopole oder staatliche Unternehmen zu gründen oder zu behalten.

In der öffentlichen Diskussion wird vielfach unterstellt, dass TTIP die Kommunen zur Privatisierung oder Liberalisierung der kommunalen Daseinsvorsorge zwingen könnte und sich U.S.-Unternehmen in den Markt einklagen könnten. Es wird zudem die Befürchtung geäußert, dass Bereiche wie Wasserversorgung, Bildung, Kultur, Gesundheitsleistungen oder Nahverkehr durch TTIP verstärkt für Privatisierungen geöffnet werden könnten. Zudem könne die Bevorzugung regional tätiger Anbieter bei öffentlichen Aufträgen erschwert werden.

TTIP sieht allerdings keine Liberalisierungsverpflichtungen vor. Auch Privatisierungen, etwa im Bereich der Daseinsvorsorge, werden ausgeschlossen. Dazu heißt es im TTIP-Verhandlungsmandat:

„Die hohe Qualität der öffentlichen Versorgung in der EU sollte im Einklang mit dem AEUV ... und unter Berücksichtigung der Verpflichtungen der EU in diesem Bereich, einschließlich des GATS-Abkommens, gewahrt werden. Dienstleistungen ..., die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden, sind von den Verhandlungen ausgeschlossen".