23.07.2015
GD Handel veröffentlicht Statement zum Verhältnis von TTIP zur Daseinsvorsorge („public services“)
EU
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https://trade.ec.europa.eu/doclib/press/index.cfm?id=1128&serie=793&langId=de |
Die Generaldirektion Handel (Trade) hat am 13. Juli 2015 ein Statement zum „Schutz öffentlicher Dienste in der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und in anderen EU-Handelsabkommen” veröffentlicht (“Protecting public services in TTIP and other EU trade agreements”).
In der öffentlichen Diskussion wird vielfach unterstellt, dass TTIP die Kommunen zur Privatisierung oder Liberalisierung der kommunalen Daseinsvorsorge zwingen könnte und sich U.S.-Unternehmen in den Markt einklagen könnten. Es wird zudem die Befürchtung geäußert, dass Bereiche wie Wasserversorgung, Bildung, Kultur, Gesundheitsleistungen oder Nahverkehr durch TTIP verstärkt für Privatisierungen geöffnet werden könnten. Zudem könne die Bevorzugung regional tätiger Anbieter bei öffentlichen Aufträgen erschwert werden. Diese Auffassungen werden vom TTIP-Verhandlungsmandat nicht gestützt. Darin heißt es:
„Die hohe Qualität der öffentlichen Versorgung in der EU sollte im Einklang mit dem AEUV … und unter Berücksichtigung der Verpflichtungen der EU in diesem Bereich, einschließlich des GATS-Abkommens, gewahrt werden. Dienstleistungen …, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden, sind von den Verhandlungen ausgeschlossen“.
Das am 13. Juli 2015 veröffentlichten Statement der GD Handel bestätigt diesen Kurs. Danach seien die “public services” in allen EU-Handelsabkommen, auch in TTIP, geschützt. Die Mitgliedstaaten der EU könnten nicht gezwungen werden, ihre öffentlichen Dienstleistungen (“public services”) zu privatisieren. Es stehe ihnen frei, diese Dienstleistungen auch weiterhin durch die öffentliche Hand erbringen zu lassen, auch wenn sie gleichzeitig andere Dienstleistungsbereiche für ausländische Mitbewerber öffneten. Es gebe für diese Bereiche auch keine Sperrklausel (“rachet clause”).
Auch der Bereich der öffentlichen Monopole werde durch die EU-Handelsabkommen nicht angetastet. Insbesondere die Wasserversorgung, staatlich finanzierte Bildungseinrichtungen, die Gesundheitsversorgung und soziale Dienste könnten weiterhin nach den Vorstellungen der Mitgliedstaaten organisiert oder subventioniert werden.
Die GD Handel weist darauf hin, dass in jedem EU-Handelsabkommen vier Garantien für die “public services” vorgesehen seien, die sicherstellten, dass die Mitgliedstaaten mit diesen Dienstleistungen nach ihrem Gutdünken verfahren könnten; diese Garantien bezögen sich auf Monopole, Marktzugang, Subventionen und Regulierung.
1. Monopole
So sei sichergestellt, dass die nationalen Regierungen ihre “public services” in Form von Monopolen (staatlich oder privat) erbringen könnten. Dieser Schutz erstrecke sich auf alle Wirtschaftszweige mit Ausnahme der Bereiche Telekommunikation und Informatik.
2. Marktzugang
In den Bereichen wie Gesundheitsversorgung und Bildung, die von der öffentlichen Hand finanziell oder auf andere Art gefördert werden, sowie bei der Trinkwasserversorgung seien die EU-Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, ausländischen Dienstleistern Zugang zu ihren Märkten einzuräumen.
3. Subventionen
Bei der Förderung durch staatliche Mittel seien die EU-Mitgliedstaaten nicht zur Gleichbehandlung von Unternehmen aus Nicht-EU-Ländern verpflichtet.
4. Regulierung
Die EU-Handelsabkommen ließen den EU-Mitgliedstaaten die Freiheit, alle Dienstleistungen - auch die der Daseinsvorsorge - unter bestimmten Voraussetzungen zu regulieren.
Hintergrund:
Im Jahr 1995 wurde das internationale Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) unterzeichnet. Seitdem hat die EU zahlreiche andere Handelsabkommen mit einzelnen Ländern oder Ländergruppen geschlossen. In mehreren dieser Abkommen ging es um die Liberalisierung von Dienstleistungen. TTIP und sämtliche andere Freihandelsabkommen, die die EU aushandelt – zum Beispiel TiSA – folgen demselben Ansatz und bieten die oben genannten Garantien für “public services”.
Im Februar 2015 war die achte Verhandlungsrunde der Gespräche über TTIP zu Ende gegangen. In dieser Runde ging es vor allem um Regulierungsfragen bei Energie und Rohstoffen sowie bei Dienstleistungen, Investitionen und dem öffentlichen Beschaffungswesen. Darüber hinaus wurde über Nachhaltigkeit, den Abbau von Zöllen, Wettbewerb und kleinere und mittlere Unternehmen verhandelt. Insgesamt verfolgen die Verhandlungen das Ziel, Zölle und andere Handelsbarrieren im transatlantischen Handel zwischen der Europäischen Union (EU) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) abzubauen. Angestrebt wird eine stärkere Öffnung der Märkte auf beiden Seiten des Atlantiks. Zudem sollen mit TTIP Einschränkungen für kommerzielle Dienstleistungen verringert, Investitionssicherheit und Wettbewerbsgleichheit verbessert und der Zugang zu öffentlichen Aufträgen auf allen staatlichen Ebenen vereinfacht werden.
Die Kommission hat zudem etliche bisher vertraulich eingestufte EU-Vorschläge für konkrete Rechtstexte nun in acht Bereichen ins Internet gestellt, darunter solche zu viel diskutierten Themen wie Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit, aber auch zu technischen Handelshemmnissen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Über die vorgenannten Dokumente hinaus hat die Kommission Informationspapiere zu mehreren wichtigen Bereichen der Verhandlung veröffentlicht, darunter auch ein Papiere zum Wettbewerb, zu öffentlichen Unternehmen und Subventionen, die von ihrem Grundtenor den CETA-Vertragstexten ähneln. Auch im Textvorschlag zum Wettbewerbskapitel werden Prinzipien der Transparenz, Nichtdiskriminierung (Gleichbehandlung) und der Verfahrensgerechtigkeit festgeschrieben. Das Papier legt in den Grundzügen fest, dass die Vertragsparteien durch bestehende und neue Regelungen wettbewerbsbeschränkendes Verhalten in ihren Handelsbeziehungen durch Kartelle, marktmächtige Unternehmen und Zusammenschlüsse unterbinden sollten. Kartellbehörden sollen unabhängig agieren.