19.01.2021
Bundestag verabschiedet 10. GWB-Novelle in 2. und 3. Lesung
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie vom 13.11.2020: https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/258/1925868.pdf
Der Deutsche Bundestag hat am 14. Januar 2021 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des „Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) für ein fokussiertes, proaktives und digitales Wettbewerbsrecht 4.0 und anderer Bestimmungen (GWB-Digitalisierungsgesetz)“ in zweiter und dritter Lesung beschlossen (vgl. zur 1. Lesung auch FIW-Bericht vom 10.12.20). Das Gesetz wurde mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der AfD, der FDP und der Linken in der vom Wirtschaftsausschuss geänderten Fassung angenommen (vgl. zur Anhörung im Wirtschaftsausschuss auch FIW-Bericht vom 18.11.20). Der Bundestag beschloss zudem gegen die Stimmen von AfD und FDP bei Enthaltung der Linken und Grünen eine Entschließung zu dem Gesetz (Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD in der Ausschussdrucksache 19(9)905 vom 15.12.2020). Entschieden wurde auch über einen Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD (Ausschussdrucksache 19(9)926 (neu) vom 12.01.2021.)
Wichtigste Änderungen (im Vergleich zum RegE):
- Die Regelung des §19 a GWB neu (Missbräuchliches Verhalten von Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb) ist bei den Verhaltenspflichten (Abs. 2) noch einmal ergänzt, präzisiert bzw. verschärft und mit Beispielen belegt worden. Insgesamt werden Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb jetzt sieben Verhaltensweisen untersagt. In formeller Hinsicht wurde die Feststellungsverfügung auf fünf Jahre nach Eintritt der Bestandskraft befristet und eine Evaluierung der Vorschrift nach vier Jahren normiert. Dies ist im Vergleich zum RegE neu (vgl. dazu auch FIW-Bericht vom 10.09.20).
- In § 20 Abs. 1 a GWB (neu) ist jetzt im Gesetzeswortlaut klargestellt worden, dass für einen Datenzugang (entspr. § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB neu) ein angemessenes Entgelt zu entrichten ist, ist entsprochen worden. Diese Klarstellung ist nun in den Gesetzestext aufgenommen worden. Dadurch ist „sichergestellt, dass etwaige signifikante Kosten, die beispielsweise im Zusammenhang mit der Datenerzeugung, -bereinigung, -speicherung oder -pflege sowie Zugänglichmachung der Daten entstehen können, zu berücksichtigen und ggf. auszugleichen sind.“
- Die Umsatzschwellen für die Fusionskontrolle wurden angehoben (§ 35 Absatz 1 Nummer 2 GWB), und zwar auf 50 Millionen Euro (erste Inlandsumsatzschwelle) beziehungsweise 17,5 Millionen Euro (zweite Inlandsumsatzschwelle).
- Angemessene und wirksame Compliance-Maßnahmen, die auch vor einer Zuwiderhandlung ergriffen worden sind (Vortatverhalten) sind nun bei der Zumessung des Bußgeldes zu berücksichtigen, wenn sie vor einem Rechtsverstoß umgesetzt wurde (§ 81 d Absatz 1 Satz 2 Ziffer 4 neu). Dabei müssen die vor der Zuwiderhandlung getroffenen Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen angemessen und wirksam sein.
- Außerdem wird dem Bundesgerichtshof (BGH) die erstinstanzliche Zuständigkeit für Streitigkeiten gegen Verfügungen des Bundeskartellamts nach § 19a GWB (neu) zugewiesen (§ 73 Abs. 5 GWB neu). Ziel ist es, die Verfahren zu beschleunigen. Der BGH wäre damit Beschwerdegericht im ersten und letzten Rechtszug.
- Die beabsichtigte Einführung einer Pflicht zur zusätzlichen Meldung von Absatzmengen an die Markttransparenzstelle Kraftstoffe entfällt nun.
Entschließungsantrag der CDU/CSU-Fraktion
In der Entschließung (vgl. oben) wird die Bundesregierung unter anderem zu Folgendem aufgefordert:
- Aufmerksame Beobachtung der Anwendung des novellierten Wettbewerbsrechts und der Auswirkungen auf die Struktur der Digitalwirtschaft und der Wirtschaftsstruktur in Deutschland.
- Bericht an den Bundestag nach vier Jahren und Bewertung der Anwendung der neuen Vorschriften zum Datenzugang dahingehend, ob die verschieden gelagerten Interessen beim Datenzugang angemessen berücksichtigt und gewahrt werden konnten, welche Auswirkungen der Datenzugang auf die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft hat und ob die Berücksichtigung des Datenschutzes, des Immaterialgüterrechts und der Schutz von Geschäftsgeheimnissen praxistauglich umgesetzt wurden.
- Begleitung der europäischen Bemühungen für einen Ordnungsrahmen der Plattformökonomie in Form des Digital Markets Act.
- Erläuterung des das Verhältnisses zwischen europäischen und deutschen Regelungen gegenüber dem Bundestag ein Jahr nach Inkrafttreten des Digital Markets Act und ggf. Erarbeitung von Vorschlägen für nötige Anpassungen im deutschen Wettbewerbsrecht.
- Regierung soll sich auf EU-Ebene für die Schaffung von Möglichkeiten einsetzen, Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung das Behindern von Innovation und Wettbewerb durch das strategische Aufkaufen von Wettbewerbern (sogenannte „Killer-Akquisitionen“) zu untersagen.
- Unterstützung auf EU-Ebene, die Rechtssicherheit von Unternehmenskooperationen auch bei Vorliegen vertikaler Wettbewerbsverhältnisse zu unterstützen.
Weitere Schritte:
Dem Bundesrat ist das Gesetz am 14. Januar 2021 zur Beratung zugeleitet worden (https://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2021/0001-0100/0038-21.html.)