29.10.2021

Bundeskartellamt veröffentlicht neue Leitlinien zur Bußgeldzumessung und zum Kronzeugenprogramm

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Bundeskartellamt
Bußgeldleitlinien
Kronzeugenprogramm
Vortat- und Nachtat-Compliance

 

Pressemitteilung: Bundeskartellamt - Homepage - Neue Leitlinien des Bundeskartellamtes zum Kronzeugenprogramm und zur Bußgeldzumessung

Bußgeldleitlinien: Bußgeldleitlinien_Oktober2021.pdf (bundeskartellamt.de)

Leitlinien zum Kronzeugenprogramm: Bekanntmachung_Kronzeugenprogramm_Leitlinien_Oktober2021.pdf (bundeskartellamt.de)

Merkblatt: Merkblatt - Kronzeugenprogramm.pdf (bundeskartellamt.de)

Das Bundeskartellamt hat am 11. Oktober 2021 neue Leitlinien zur Bußgeldzumessung in Kartellverfahren sowie neue Leitlinien und ein Merkblatt zum Kronzeugenprogramm veröffentlicht. Grund für die Neuveröffentlichungen sein nötige Anpassungen an die 10. GWB-Novelle.

Neue Bußgeldleitlinien

Im Rahmen der 10. GWB-Novelle wurde im Bereich der Bußgeldzumessung ein nicht abschließender Katalog von möglichen Zumessungskriterien, wie der tatbezogene Umsatz, in § 81d GWB gesetzlich verankert. Nach den neuen Leitlinien verwendet das Bundeskartellamt den tatbezogenen Umsatz zusammen mit dem Gesamtumsatz des Unternehmens zur Bestimmung eines Ausgangswerts innerhalb des gesetzlichen Bußgeldrahmens. Konkret wird der Ausgangswert anhand der sog. Umsatzgröße bestimmt. Die Umsatzgröße wird aus dem tatbezogenen Umsatz in Abhängigkeit von der Größe des Unternehmens (Gesamtumsatz) abgeleitet. Soweit die Umsatzgröße bis zur Hälfte des gesetzlichen Rahmens reicht, wird sie der Bußgeldbemessung als Ausgangswert zugrunde gelegt. Falls die Umsatzgröße die Hälfte des gesetzlichen Rahmens übersteigt, beträgt der Ausgangswert die Hälfte des gesetzlichen Rahmens. In Fällen, in denen aufgrund eines planwidrigen Tatverlaufs kein tatbezogener Umsatz erzielt wurde, werden die Umsatzerlöse zugrunde gelegt, die ohne den planwidrigen Tatverlauf vermutlich erzielt worden wären. Die konkrete Bußgeldzumessung erfolgt auf Basis des Ausgangswerts unter Berücksichtigung aller erschwerenden oder mildernden Umstände im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung.

Laut Leitlinien ist in der Regel eine Geldbuße bis maximal zum Doppelten des Ausgangswerts für eine adäquate Pflichtenmahnung angemessen. Aus Gründen der hinreichenden Pflichtenmahnung kann das Doppelte des Ausgangswertes auch überschritten werden, insbesondere wenn die Geldbuße andernfalls äußerst niedrig im Verhältnis zum gesetzlichen Rahmen ausfiele. Die vollständige oder nahezu vollständige Ausschöpfung des gesetzlichen Rahmens soll sehr schwerwiegenden Zuwiderhandlungen vorbehalten bleiben. Laut Bundeskartellamt ist durch die Neuerungen keine wesentliche Veränderung des Bußgeldniveaus zu erwarten.

Die neuen Leitlinien enthalten außerdem Angaben zu der mit der 10. GWB-Novelle in das Gesetz aufgenommenen Möglichkeit, vor und nach der Tat getroffene Vorkehrungen eines Unternehmens zur Vermeidung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen (Vortat- und Nachtat-Compliance) unter bestimmten Umständen mildernd zu berücksichtigen, obwohl es zu einem Verstoß gekommen ist. Gemäß Ziff. 14 der Leitlinien werden die vor der Zuwiderhandlung getroffenen, angemessenen und wirksamen Vorkehrungen zur Vermeidung und Aufdeckung von Zuwiderhandlungen sowie das positive Nachtatverhalten des Unternehmens im Rahmen der Gesamtabwägung herangezogen. In den Erläuterungen zur Vortat-Compliance heißt es dazu (S.11): 

Mildernd kann zum einen berücksichtigt werden, dass im Unternehmen bereits zur Tatzeit alle objektiv erforderlichen Vorkehrungen ergriffen worden sind, um kartellrechtliche Zuwiderhandlungen wirksam zu verhindern (Vortat-Compliance). Eine Wirksamkeit von Vortat-Compliance ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die getroffenen Vorkehrungen zur Aufdeckung und umgehenden Anzeige der Zuwiderhandlung geführt haben. Ferner steht es der Wirksamkeit von Vortat-Compliance nicht entgegen, wenn die getroffenen Vorkehrungen allein deswegen nicht zur Aufdeckung und Anzeige geführt haben, weil die handelnde Person sich zwecks Erzielung persönlicher Vorteile über den Compliance-Kodex des Unternehmens in außergewöhnlichem Maße und unter gezielter Täuschung seiner Vorgesetzten hinweggesetzt hat. Eine Berücksichtigung von Vortat-Compliance kommt jedoch nicht in Betracht, wenn an der Zuwiderhandlung eine für die Leitung des Unternehmens verantwortliche Person beteiligt gewesen ist. Dies ist in aller Regel der Fall bei Geschäftsführern oder Vorstandsmitgliedern der Nebenbetroffenen selbst oder anderer Konzerngesellschaften, die in der Hierarchie des Unternehmens oberhalb der Nebenbetroffenen stehen.

Neue Leitlinien zum Kronzeugenprogramm

Im Zuge der 10. GWB-Novelle wurde das Kronzeugenprogramm des Bundeskartellamtes im Gesetz verankert und die seit 2006 geltende sogenannte „Bonusregelung" aufgehoben. In den nun veröffentlichten neuen Leitlinien zum Kronzeugenprogramm legt das Bundeskartellamt in Ergänzung der Regelungen in §§ 81h - 81n GWB allgemeine Verwaltungsgrundsätze über die Ausübung seines Ermessens bei der Anwendung des Kronzeugenprogramms, beispielsweise zur Höhe der Ermäßigung oder zu den Kooperationspflichten, sowie zur Gestaltung des Verfahrens fest, wie in § 81h Absatz 3 GWB vorgesehen.