09.09.2020

Bundeskartellamt legt Jahresbericht für das Jahr 2019 vor

 

Das Bundeskartellamt hat am 2. September 2020 seinen Jahresbericht für das Jahr 2019 veröffentlicht. Im Jahresbericht werden die Themengebiete und die Arbeit der einzelnen Beschlussabteilungen näher dargestellt. 

Zu einzelnen ausgewählten Bereichen: 

Digitalwirtschaft 

Auch in diesem Jahr lag ein deutlicher Schwerpunkt des Bundeskartellamtes auf der Untersuchung von digitalen Plattformmärkten und sozialen Netzwerken. Insbesondere Amazon und Facebook standen dabei im Fokus des Kartellamts. Gegenüber Amazon setzte das Amt eine Änderung der Geschäftsbedingungen zugunsten von Händlern durch, die ihre Produkte über die Plattform vertreiben. Amazon hat seine Geschäftsbedingungen daraufhin weltweit an die Vorgaben des Amtes angepasst. Danach haftet Amazon, wie die Händler, für Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit und die Verletzung wesentlicher Leistungspflichten. Die Kündigung von Händlerkonten wurden erschwert, die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen gegenüber Amazon erleichtert und eine Regelung zum ausschließlichen Gerichtsstand in Luxemburg aufgehoben. 

(Anm.: Mit der Stellung von Amazon und den Verkäufern auf der Plattform wird sich das Kartellamt auch in Zukunft befassen. Im Moment geht die Behörde ihrer Pressemitteilung zufolge der Frage nach, ob und wie Amazon die Preissetzung der Händler beeinflusst.) 

Im Verfahren gegen Facebook ging es um Facebooks umfassende Datensammlung und Auswertung ohne Einwilligung seiner Nutzer. Anfang 2019 hatte das Bundeskartellamt ein erstes Verfahren gegen Facebook abgeschlossen und dem Unternehmen verboten, Nutzerdaten aus verschiedenen Quellen, wie den konzerneigenen Diensten WhatsApp und Instagram, zusammenzuführen und zu verarbeiten (vgl. dazu auch FIW-Bericht vom 26.02.2019). Gegen diese Entscheidung hatte das soziale Netzwerk Beschwerde vor dem OLG Düsseldorf eingelegt, welches die aufschiebende Wirkung der Beschwerde angeordnet hat. Am 23. Juni 2020 hat der BGH den Beschluss des OLG aufgehoben und entschieden, dass die Untersagung des Bundeskartellamts sofort zu vollziehen sei. Das OLG hatte weder ernsthafte Zweifel an der marktbeherrschenden Stellung Facebooks noch daran, dass Facebook seine marktbeherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt, in dem es den Nutzern keine Wahlmöglichkeit im Hinblick auf die Verarbeitung seiner „Off Facebook“-Daten geboten hat. 

10. GWB-Novelle 

Thema des Berichts war auch die Begleitung der 10. GWB-Novelle durch das Amt. Der Entwurf zu dem Gesetzesvorhaben wurde erstmals am 24. Januar 2020 durch das BMWi vorgestellt. Im Rahmen der Entwicklung und Vorbereitung des Entwurfs stand das Bundeskartellamt nach eigenen Angaben im engen Austausch mit dem Ministerium. Durch die Novelle soll die Missbrauchsaufsicht im Digitalbereich weiter verstärkt werden. Ein zentraler Bestandteil des Vorhabens soll der neue §19a GWB werden. Danach soll es dem Bundeskartellamt in Zukunft u. a. möglich sein, Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung zu untersagen, eigene Angebote auf ihrer Plattform gegenüber den Angeboten ihrer Konkurrenten zu bevorzugen. Ziel des 19a GWB ist es sicherzustellen, dass Marktanteile mit leistungswettbewerblichen Mitteln bestreitbar bleiben, so die Ausführungen im Jahresbericht. 

Daneben sieht die Novelle die von der ECN+-Richtlinie geforderte Einführung neuer Ermittlungsbefugnisse für das Bundeskartellamt sowie eine gesetzliche Regelung des Kronzeugenprogramms vor. Außerdem sollen die Sanktionsmöglichkeiten geschärft, die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit anderen europäischen Wettbewerbsbehörden erweitert, die Verwaltungsverfahren beschleunigt und umfassende Regelungen für die Akteneinsicht eingeführt werden. Diese Regelungen sind aus Sicht des Bundeskartellamts notwendig, um auf dem Gebiet der Digitalwirtschaft wirksam handeln zu können. 

Fusionskontrolle 

Im Berichtszeitraum sind insgesamt rund 1.400 Zusammenschlüsse angemeldet worden. Gegenüber dem vorherigen Berichtszeitraum 2017/2018 hat sich die Zahl der Anmeldungen damit fast halbiert. Von den 1.400 Anmeldungen überprüfte das Amt 14 in Hauptprüfverfahren und untersagte vier (Miba/Zollern, Heidelberger Druckmaschinen/MBO, Remondis/DSD, Loomis/Ziemann). In sechs Verfahren zogen die Beteiligten ihre Fusionsanträge aufgrund von Bedenken des Kartellamts zurück (Anm.: Im Fall Miba/Zollern kam es zu einer Ministererlaubnis, vgl. dazu FIW-Bericht vom 22.08.2019). 

Wie das Amt in seiner Pressemitteilung näher erläutert, sank auch zu Beginn des Jahres 2020 die Zahl der Fusionen weiter. Die deutlich geringere Zahl der Fusionen zu Beginn des Jahres ist laut dem Kartellamt vor allem auf die Unsicherheit während der Coronakrise zurückzuführen. In den Monaten März, April und Mai 2020 lagen die Anmeldungen deutlich unter den Vorjahreswerten. Das Kartellamt erwartet aber, dass die Anmeldungen in den nächsten Monaten krisenbedingt wieder ansteigen werden, wenn ggf. Übernahmen von Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten anstehen. 

Als bedeutendes Verfahren mit Signalwirkung stellte das Kartellamt in diesem Jahr die Übernahme von Vossloh Locomotives durch CRRC heraus. Das Kartellamt erteilte im April 2020 die Freigabe des Rangierlokomotiven-Herstellers durch das chinesische Staatsunternehmen, da es in dem Markt starke Wettbewerber gibt, und sieht das Verfahren als Vorlage für Fälle in denen Staatsunternehmen beteiligt sind. 

Sektoruntersuchungen 

Mit der 9. GWB-Novelle hatte der Gesetzgeber dem Bundeskartellamt einige Kompetenzen im Bereich des Verbraucherschutzes eingeräumt. Die Behörde kann seitdem unter bestimmten Voraussetzungen auch verbraucherrechtliche Sektoruntersuchungen einleiten. Im Jahr 2019 hat das Kartellamt Sektoruntersuchungen zu Nutzerbewertungen im Internet und dem Umgang von Smart-TVs mit Nutzerdaten abgeschlossen. Aktuell laufen noch Untersuchungen zur Entsorgungswirtschaft, zum Wettbewerb unter Krankenhäusern und zur Online-Werbung. 

Das Amt kann darüber hinaus in bestimmten Verfahren als „amicus curiae“ Stellung in verbraucherrechtlichen Streitigkeiten nehmen. 

Kartellverfolgung 

2019 hat das Bundeskartellamt rund 848 Mio. Euro Bußgeld gegen insgesamt 23 Unternehmen bzw. Verbände und 12 natürliche Personen verhängt. Betroffen waren Branchen wie der Fahrradgroßhandel, die Gebäudeausrüstung, Zeitschriften, Industriebatterien, der Autostahl-Einkauf sowie die Stahl-Herstellung. 2018 lag der Betrag bei 376 Mio. Euro. Bei der Behörde gingen 16 Kronzeugenanträge ein. Im Berichtszeitraum hat das Bundeskartellamt im Rahmen der Verfolgung verbotener Kartellabsprachen fünf Durchsuchungen in 32 Unternehmen und in fünf Privatwohnungen durchgeführt.

Private Kartellverfolgung 

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der privaten Schadensersatzklagen deutlich zurückgegangen, wie das Amt mitteilte. Der bezifferte Schadensersatz in Höhe von 420 Mio. Euro blieb dabei auf einem hohen Stand. Ein Großteil der Schadensersatzforderungen stammen aus Forderungen, die über ein Abtretungsmodell geltend gemacht wurden. Das Kartellamt gibt an, dass bislang allerdings noch nicht höchstrichterlich geklärt sei, ob dieses Klagevehikel zulässig ist. Es sei in erster Instanz von mehreren Landesgerichten für unzulässig erachtet worden. 

Das Kartellamt sieht weiterhin eine Professionalisierung bei der Bündelung und Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, welche durch den Markteintritt von spezialisierten Kanzleien und Prozessfinanzierern beflügelt wird. Daneben verbessert nach Aussage des Amtes auch die Umsetzung der Kartellschadensersatz-Richtlinie 2014/104 EU durch die 9. GWB-Novelle die Bedingungen für Schadensersatzklagen.