05.12.2019

BM Altmaier hat finale „Nationale Industriestrategie 2030“ vorgelegt– Implikationen für die Wettbewerbspolitik

NIS 2030:

https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Industrie/industriestrategie-2030.pdf?__blob=publicationFile&v=10

Am 29. November 2019 hat Bundesminister Altmaier (BMWi) nun die finale Fassung der „Nationale Industriestrategie 2030" (kurz: NIS 2030) vorgestellt. Im Februar hatte er bereits einen Entwurf vorgelegt, der vielfach diskutiert und kritisiert worden ist (vgl. zum Vorentwurf FIW-Bericht vom 19.02.19).

Wesentlicher Inhalt:

In der NIS 2030 wird nach Aussage von BM Altmaier „ein umfassendes Konzept zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Deutschland und Europa" dargelegt. "Leitlinie ist und bleibt dabei die Soziale Marktwirtschaft. Die Stärkung der Marktwirtschaft ist in vielen Fällen die beste Antwort auf den Strukturwandel", so BM Altmaier.

Die Industriestrategie enthält viele Vorschläge zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Deutschland. Das gilt vor allem in der Steuerpolitik, für die Bereitstellung von Wagniskapital, für eine europäische Industriepolitik und den Schutz der Industrie vor „carbon leakage" im Klimaschutz. BM Altmaier will insbesondere die Rahmenbedingungen für die Industrie verbessern, zum Beispiel im Bereich Steuern und Abgaben. Das am Standort vorhandene Innovationspotenzial soll aktiviert werden, und mehr technologische Neuerungen sollen in die Anwendung gelangen. Dabei gelte es, Schlüsseltechnologien „als ein entscheidender Treiber des Strukturwandels und als Basis für neue und leistungsfähige Produkte und Dienstleistungen" weiter zu stärken. Weiter stehe der „Schutz der technologischen Souveränität Deutschlands" im Vordergrund.

Anders als noch im Entwurf liegt die Betonung nicht mehr auf der unverzichtbaren Bedeutung der Großindustrie, sondern auf der Bedeutung der „Hidden Champions" und dem „fruchtbaren Miteinander von industriellem Mittelstand und großen Industrieunternehmen sowie effizienten Dienstleistungsunternehmen". Auch der Vorschlag eines Beteiligungsinstruments bei der KfW, mit dem in bestimmten Fällen defensiv gegen Unternehmensübernahmen aus dem Ausland vorgegangen werden sollte, ist entfallen. Dafür soll nun „im Einzelfall bei sensiblen oder sicherheitsrelevanten Technologien über die KfW eine befristete staatliche Beteiligung an Unternehmen erwogen und realisiert werden". Dies wird „Nationale Rückgriffsoption" genannt. Diese sei bereits in Einzelfällen in der Vergangenheit angewandt worden.

Das Außenwirtschaftsrecht soll erneut bis Oktober 2020 geändert und an das EU-Recht(„Europäische Screening­Verordnung") angepasst werden. Hierbei werde es auch Konkretisierungen beim Prüfkriterium „öffentliche Ordnung oder Sicherheit" geben.

Wettbewerbspolitik:

BM Altmaier regt zudem Änderungen des Wettbewerbsrechts an, um die Herausbildung von Unternehmen von kritischer Größe zu erleichtern. Dazu sind in der NIS folgende Vorschläge aufgeführt:

S. 19: „Wettbewerbsrecht modernisieren"

„Eine wettbewerbsfähige Industrie benötigt einen modernen Ordnungsrahmen, angepasst an die sich wandelnden Erfordernisse des industriellen Strukturwandels, der Nachhaltigkeit und der internationalen Rahmenbedingungen. 

Weiter auf S. 31 und 32 finden sich folgende Passagen:

S. 31 - „Europäisches Wettbewerbsrecht mit Augenmaß modernisieren"

„Wettbewerb ist der Schlüssel zu einer starken wirtschaftlichen Basis in Deutschland und der EU. Die Wettbewerbsordnung der EU hat sich grundsätzlich bewährt. Damit die Wettbewerbsregeln trotz der Herausforderungen der Globalisierung und Digitalisierung weiter effektiv sind, müssen diese aber fortlaufend an die sich wandelnden Gegebenheiten angepasst werden. Die Wirtschaftsminister von Deutschland, Frankreich und Polen haben bereits konkrete Vorschläge zur Modernisierung des EU­Wettbewerbsrahmens vorgelegt. 

S. 32 - „Beihilfenrecht angemessen aktualisieren"

„Ein effizientes Beihilferegime ist zentral für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in der EU. Das bisherige Beihilferecht im Binnenmarkt hat sich in den meisten Fällen als geeignet erwiesen, faire Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Modernisierungsbedarf besteht insbesondere im derzeit laufenden Überprüfungsprozess des europäischen Beihilferechts, beispielsweise angesichts steigender CO2­Preise mit Blick auf die Strompreiskompensation im Europäischen Emissionshandel. Die Spielräume für die Strompreiskompensation müssen ausgebaut werden. 

Das Beihilfeinstrument „Wichtige Projekte von Gemeinsamem Europäischen Interesse (IPCEI)" ermöglicht Ausnahmen für strategische pan­europäische Investitionen im Beihilferecht. Es spielt eine bedeutende Rolle zur Stärkung strategischer europäischer Wertschöpfungsverbünde und für den Aufbau von mehr technologischer Souveränität - und das deutlich schneller als alle anderen Unterstützungsprogramme für einzelne Projekte. Das Instrument sollte auf Grundlage der bisherigen Erfahrungen weiter optimiert und die IPCEI-Mitteilung angepasst werden. 

Das EU-­Beihilferecht begrenzt die Möglichkeiten europäischer Mitgliedstaaten, Unternehmen mit Finanzierungslösungen zu begleiten. Das Beihilferecht berücksichtigt grundsätzlich nicht die Konkurrenz aus nicht­europäischen Ländern, die ihre Produkte mit außerordentlich weitreichenden staatlichen Finanzierungsangeboten flankieren. Eine Ausnahme hierzu existiert im Bereich der Exportkreditgarantien. Im Rahmen des OECD­Konsensus haben sich die Teilnehmer verpflichtet, staatliche Unterstützung nur zu gewähren, wenn festgelegte Mindeststandards beachtet werden. Beabsichtigt ein Exportkreditversicherer von den Konsensus­Bedingungen abzuweichen, hat er dies den Partnern mitzuteilen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese können sodann auch ihren Exporteuren vergleichbare Konditionen einräumen (so genanntes „Matching"). Es sollte geprüft werden, den Anwendungsbereich und die ­voraussetzungen dieser so genannten „Matching­Klauseln" zu erweitern."