13.10.2016

Arbeitskreis Kartellrecht des BKartA tagte zu Verbraucherschutz und Kartellrecht

Arbeitspapier: https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikation/DE/Diskussions_Hintergrundpapier/AK_Kartellrecht_2016_Wettbewerb_und_Verbraucherverhalten.pdf?__blob=publicationFile&v=3

Wie das Bundeskartellamt am 11. Oktober 2016 bekannt gab, hatte der beim Bundeskartellamt angesiedelte Arbeitskreis Kartellrecht am 6. Oktober 2016 zum Thema „Wettbewerb und Verbraucherverhalten - Konflikt oder Gleichlauf zwischen Verbraucherschutz und Kartellrecht?" getagt. Dieser Arbeitskreis besteht aus Hochschullehrern, Vertretern nationaler und internationaler Wettbewerbsbehörden sowie Richtern und tagt jährlich seit über 40 Jahren zu grundsätzlichen wettbewerbspolitischen Themen. Zum Gedankenaustausch waren über 100 Wettbewerbsexperten anwesend.

Das Bundeskartellamt hatte im Vorfeld zur Vorbereitung der Diskussion ein Arbeitspapier zur Thematik verfasst, das auch auf der Homepage des Amtes abrufbar ist.

Schon im letzten Jahr gab es bei der Arbeitskreistagung zum Thema „Digitale Ökonomie - Internetplattformen zwischen Wettbewerbsrecht, Privatsphäre und Verbraucherschutz" Bezüge zu Verbraucherschutzfragen. Dieses Mal stellten die Wechselbeziehungen zwischen Kartellrecht und Verbraucherschutz einen Schwerpunkt der Tagung dar. Gegenstand der Tagung war unter anderem die Frage, ob der Verbraucherschutz auch in Deutschland stärker behördlich durchgesetzt werden sollte. Viele Teilnehmer waren anscheinend der Ansicht, dass das bestehende überwiegend privatrechtlich organisierte System durchaus Lücken und Vollzugsdefizite aufweise. Diskutiert wurde auch über den möglichen institutionellen Rahmen einer behördlichen Verbraucherrechtsdurchsetzung. Einerseits wurde die Sorge geäußert, der Wettbewerbsschutz könnte bei einer Zusammenführung von Kartellrechts- und Verbraucherrechtsdurchsetzung leiden. Andererseits wurde vielfach eine Befassung des Bundeskartellamtes mit einem klar abgegrenzten und zugewiesenen Bereich der kollektiven Verbraucherinteressen durchaus als eine sinnvolle Ergänzung des bestehenden Systems angesehen.

Bislang abrufbar sind die Präsentationen der Vortragenden Prof. Dr. Susanne Augenhofer, Humboldt-Universität zu Berlin, Prof. Dr. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie (DICE), Prof. Dr. Paul Heidhues, DICE, Prof. Dr. Rupprecht Podszun, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie von Bernadette van Buchem, Direktorin der Abteilung Verbraucherschutz bei der niederländischen Wettbewerbsbehörde (Autoriteit Consument & Markt). Die Vorträge sind auf der Internetseite des Bundeskartellamts eingestellt.

Wesentlicher Inhalt des Arbeitspapiers:

Das vom Bundeskartellamt als Diskussionspapier erstellte Arbeitspapier zeigt bereits deutlich die Ambitionen des Kartellamts, sowohl als Wettbewerbsbehörde als auch - künftig - als Verbraucherschutzbehörde zu fungieren. Argumentativ wird die Prämisse vorangestellt, dass der Schutz von Verbrauchern und der Schutz des Wettbewerbs grundsätzlich komplementär seien. Während der Wettbewerbsschutz sicherstelle, dass den Verbrauchern eine bestmögliche Auswahl an Gütern zu günstigen Preisen zur Verfügung stehe, sollten der Verbraucherschutz und das Verbraucherrecht dafür sorgen, dass die Verbraucher diese Auswahlmöglichkeiten auch effektiv wahrnehmen könnten. Umgekehrt sei ein aktives Verbraucherverhalten eine wichtige Bedingung dafür, dass sich Wettbewerb möglichst wirkungsvoll entfalten könne. Auch komme der Analyse des Verbraucherverhaltens eine zentrale Bedeutung für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung des Marktgeschehens zu.

Während das Verbraucherrecht zumeist auf einen direkten Schutz des Endverbrauchers bei einzelnen Transaktionen abziele, liege der Schwerpunkt im Kartellrecht mehr auf dem indirekten Verbraucherschutz, zum Beispiel mittels der Sanktionierung wirtschaftlicher Machtstellungen. Das Kartellrecht erfasse allerdings auch Komponenten eines direkten Verbraucherschutzes.

Das Papier stellt die These auf, dass zwischen den Interessen der Verbraucher und dem öffentlichen Interesse an einem funktionierenden Wettbewerb generell ein Gleichklang bestehe. Echte Konflikte zwischen Verbraucherschutz und Kartellrecht seien die Ausnahme. In Konstellationen, in denen intensiver Wettbewerb zu einer Absenkung von Mindestanforderungen des Verbraucherrechts führen könne, sei es umso wichtiger, einen „robusten verbraucherrechtlichen Ordnungsrahmen" zu haben und diesen effektiv durchzusetzen, „um die positiven Wirkungen des Wettbewerbs abzusichern". Andere (lösbare) Konflikte resultierten aus der unterschiedlichen Interessenslage verschiedener Verbrauchergruppen, die sowohl eine Herausforderung für das Kartellrecht als auch für den Verbraucherschutz darstellten. Weitere (scheinbare) Konflikte würden oft an der Frage festgemacht, welchem „Verbraucherbild" gefolgt werde und welche Gruppen von Verbrauchern mit welchen Interessen welches Maß an Schutz genießen sollten. Bei näherem Besehen bestünden die Konflikte jedoch eigentlich nicht zwischen Wettbewerb und Verbraucherschutz, sondern schon innerhalb des Verbraucherrechts selbst.

Dies vorausgeschickt wendet sich das Papier schließlich der Rechtsdurchsetzungsseite zu. Es stellt fest, dass das deutsche System, bei dem der Verbraucherschutz fast ausschließlich zivilrechtlich und nicht behördlich durchgesetzt wird, im Ländervergleich eine Ausnahme darstelle. In vielen Jurisdiktionen sei die Durchsetzung von Kartellrecht und Verbraucherrecht einheitlich einer Behörde zugewiesen, wie z. B. bei der U.S.-amerikanischen Federal Trade Commission. Die Erfahrungen seien „ganz überwiegend positiv". Die Intentionen des Bundeskartellamts an einem künftigen Aufgabenzuwachs werden an dieser Stelle recht deutlich.