13.12.2019

Amtsantritt der neuen Kommission unter von der Leyen am 01.12.2019

EUKommission
Amtsantritt
Kommissionspräsidentin
Rede

Vollständige Rede der Kommissionspräsidentin von der Leyen im Europäischen Parlament anlässlich der Debatte zur Vorstellung ihres Kollegiums und ihres Programms am 27.11.2019: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/speech_19_6408

Neue Mitglieder der Kommission: https://ec.europa.eu/commission/sites/beta-political/files/commissioners-designate-globe_de.pdf

Am 1. Dezember 2019 hat die neue Europäische Kommission unter Leitung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihre fünfjährige Amtszeit angetreten. Zuvor war sie am 27.11.2019 vom Europäischen Parlament mit breiter Mehrheit bestätigt worden. Für die an diesem Tag seitens von der Leyen vorgestellte Kommission stimmten 461 EU-Abgeordnete, 157 stimmten dagegen und 89 enthielten sich der Stimme. Bei der Vorstellung ihres Teams und ihres Programms am 27.11.2019 warb von der Leyen für eine selbstbewusste EU. Dabei erklärte sie, die Union könne „die Weltordnung zum Besseren hin formen". Der scheidende Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gratulierte seiner Nachfolgerin und zeigte sich überzeugt, dass die EU unter ihrer Führung eine „stärkere, grünere und digitalere EU" werde.

Von der Leyen war bereits im Juli als künftige Präsidentin gewählt worden. In den vergangenen Wochen folgten die Anhörungen der einzelnen Kommissarskandidaten, die von den Mitgliedstaaten nominiert worden waren (vgl. dazu auch FIW-Berichte vom 13.09.19 und 16.10.19). Drei der ursprünglich vorgeschlagenen Kandidaten (aus Frankreich, Ungarn und Rumänien) sind dabei vom Europäischen Parlament abgelehnt worden. An ihrer Stelle mussten neue Kandidaten benannt werden, die in erneuten Anhörungen schließlich vom Europäischen Parlament akzeptiert wurden. Durch die Notwendigkeit der erneuten Anhörungen hat sich der Termin des Amtsantritts der neuen Kommission, der ursprünglich bereits für den 1. Oktober 2019 geplant war, um einen Monat verzögert.

Wesentliche Ankündigungen von der Leyens für Ihre Amtsperiode

In ihrer Rede vor dem Europäischen Parlament präzisierte von der Leyen ihr Programm, das sie bereits vor ihrer Wahl im Juli vorgestellt hatte. Dabei bestätigte sie einige Änderungen von Aufgabenbereichen, die das Parlament nach den Anhörungen gefordert hatte. Die neue Kommission weist als Besonderheit aus, dass erstmals in der Geschichte der EU eine Frau an der Spitze der Kommission steht und das Kommissionsgremium erstmals einen fast ausgeglichenen Proporz von Männern und Frauen aufweist. Darüber hinaus kündigte von der Leyen an, dass bis zum Ende ihrer Amtszeit in der Kommission auf allen Führungsebenen ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis erreicht werden solle.

 „Geopolitische Kommission": Bekenntnis zu Führungsanspruch, Multilateralismus und offenem, fairem Handel

Zu den künftigen Herausforderungen Europas erklärte von der Leyen, man lebe derzeit in einer unruhigen Welt, in der zu viele Mächte nur die Sprache der Konfrontation und des Unilateralismus sprächen. Andererseits würden sich aber auch viele Menschen gegen Korruption wenden und einen demokratischen Wandel fordern. Die Welt brauche mehr denn je die Führung durch die EU. Diese müsse auch weiterhin eine „verantwortungsvolle Macht" bleiben und treibende Kraft für Frieden und Veränderungen zum Besseren sein. So müsse die EU den Partnern bei den Vereinten Nationen zeigen, dass diese sich auf die EU als Vorreiter des Multilateralismus verlassen könne. Ferner müsse die EU den Staaten im westlichen Balkan signalisieren, dass die Tür zur EU offenbleibe. Trotz bestehender Meinungsverschiedenheiten verbinde die EU auch mit den transatlantischen Partnern ein gemeinsames Schicksal.

Von der Leyen kündigte an, die EU werde in Allianzen und Koalitionen investieren, um die gemeinsamen europäischen Werte voranzubringen. Dabei werde die Union die Interessen Europas durch offenen und fairen Handel fördern und schützen. Es gelte, die Partner der EU durch Kooperation zu stärken, denn starke Partner stärkten auch Europa. Die Kommission werde sich nicht scheuen, selbstbewusst und bestimmt aufzutreten, doch werde sie es „auf die europäische Art" tun. Dies sei die „geopolitische Kommission", die sie im Sinn habe und die Europa dringend brauche.

Klimaschutz bzw. „Europäischer Grüner Deal" als „ein Muss"

Von der Leyen bekräftigte, die Welt benötige Europas Führung im Klimaschutz. Dieser sei für Europa und für den Rest der Welt von existenzieller Bedeutung. Klimabedingte Vorfälle habe es zwar auch vorher schon gegeben, aber noch nie in der Häufigkeit und Stärke wie gegenwärtig. Insofern sei keine Zeit zu verschwenden. Je schneller Europa sich bewege, desto besser werde dies für Bürger, Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand der EU sein. Der europäische Grüne Deal sei „ein Muss", wenn man die Gesundheit der Erde und der Menschen und nicht zuletzt auch Wirtschaft der EU schützen wolle. Der Grüne Deal, den Frans Timmermans als Exekutiver Vizepräsident der EU federführend umsetzen solle, sei zugleich auch eine Wachstumsstrategie. Er werde helfen, Emissionen zu senken und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen. Insoweit stellte von der Leyen auch eine entsprechende Industriestrategie in Aussicht. Bis zur Mitte des Jahrhunderts solle ein Generationen übergreifender Übergang zur Klimaneutralität erreicht werden. Dieser Übergang müsse „gerecht und inklusiv" sein, sonst werde er nicht gelingen.

Digitalisierung - Motto: „Europa kann das" - Aufgabe für Margrethe Vestager

Um die großen Chancen der Digitalisierung zu nutzen und die Risiken einzudämmen, müsse die EU klug ausgleichen, wo es der Markt nicht könne. Die EU müsse sowohl den europäischen Wohlstand als auch die Werte Europas schützen. Man müsse den „europäischen Weg" auch im digitalen Zeitalter weitergehen.

Dies gehöre zum Portfolio der Vizepräsidentin und Wettbewerbskommissarin Vestager. Von der Leyen sagte hierzu wörtlich:

Die Digitalisierung ermöglicht Dinge, die noch eine Generation vorher undenkbar waren. Weltweit miteinander kommunizieren, Zugang zu Informationen, Fortschritte in Medizin, Umweltschutz, Mobilität, Inklusion. Es gibt keine Zukunft ohne Digitalisierung. Margrethe Vestager ist diejenige, die uns auf diesem Weg weiterbringt.

Konkret bedeute dies, dass Europa Schlüsseltechnologien beherrschen und besitzen müsse. Dazu gehörten Künstliche Intelligenz, Blockchain, kritische Chiptechnologien und Quantencomputer. Europa habe alle Wissenschaftler und industriellen Kapazitäten, um auf diesen Feldern wettbewerbsfähig zu sein.

Zu einer zukunftsfähigen Infrastruktur zählen laut von der Leyen auch gemeinsame Standards, Gigabit-Netzwerke und sichere Cloud-Lösungen der heutigen und der nächsten Generation. Das Rohmaterial der Digitalisierung, die Daten, müsse Europa verantwortungsvoll, aber besser als bisher nutzen. So wie die EU bei der Datenschutzgrundverordnung den Rahmen für die Welt gesetzt habe, müsse sie dies auch bei der Künstlichen Intelligenz tun, weil man in der EU „vom Menschen her denke". Es gehe nicht darum, den Datenfluss einzudämmen, sondern Regeln dafür zu setzen, wie ein verantwortungsvoller Umgang mit Daten funktioniere. Insoweit habe der Schutz der „digitalen Identität" oberste Priorität. Gleichzeitig sollen aber auch Innovationen erreicht werden. So gelte es, „in den Daten schlummernde Erkenntnisse" besser als bisher zu nutzen. Es solle ein Rahmen beschrieben werden, damit Regierungen und Unternehmen Daten teilen und in einem sicheren Pool zur Verfügung stellen könnten. Von der Leyen kündigte die Entwicklung einer „Datenstrategie" durch den neuen Binnenmarkt- und Digitalkommissar Thierry Breton an. Mit einem gemeinschaftlichen Vorgehen auf der Basis der europäischen Werte könne Europa auch im digitalen Zeitalter eine führende Rolle spielen.

Für eine faire Wirtschaft

Von der Leyen betonte, dass in Europa schon seit Jahren weniger in Innovation als bei globalen Konkurrenten investiert werde. Deshalb sollte man den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen „nicht als bloße Rechenübung" betrachten. Der EU-Haushalt müsse grundlegend modernisiert werden. Öffentliche Mittel allein würden nicht reichen. Es müsse sichergestellt werden, dass Investitionen dorthin fließen, wo sie gebraucht werden. In diesem Kontext müssten auch die Kapitalmarktunion und die Bankenunion vollendet werden, damit das Finanzsystem der EU stärker und widerstandsfähiger werde. Es gehe um eine Wirtschaft, deren Rechnung „für die Menschen aufgehe".

Neustart in der Migrationspolitik

Von der Leyen räumte ein, die Frage der Migration habe Europa gespalten. Sie bekräftigte ihre Absicht, einen Neustart für eine Asylreform zu machen. Die EU brauche Lösungen, die für alle funktionierten. Die Migration werde nicht aufhören, sie werde die EU weiter beschäftigen. Deshalb müsse ein Europa, das so viel auf seine Werte und auf Rechtsstaatlichkeit halte, in der Lage sein, eine Antwort zu finden, die sowohl human als auch nachhaltig sei.

Gesundheitspolitik: Führung der EU im Kampf gegen den Krebs

Unter Erwähnung persönlicher Erfahrungen aus der eigenen Familie sprach von der Leyen auch die besondere Notwendigkeit der Bekämpfung von Krebs an. Die Zahl der Krebserkrankungen nehme zu, aber bei Diagnose und Behandlung werde man besser. Europa werde im Kampf gegen den Krebs die Führung übernehmen, wozu die Kommission einen ehrgeizigen Plan zur Krebsbekämpfung auflegen werde.