16.10.2015
52. Ferienkurs des FIW fand am 23. und 24. September 2015 in Düsseldorf statt
FIW
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In diesem Jahr veranstaltete das FIW seinen 52. Ferienkurs am 23. und 24. September 2015 in den Kanzleiräumen von Hengeler Mueller Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB in Düsseldorf. Dr. Horst Satzky, Mitglied des FIW-Vorstandes, und Niels Lau, Geschäftsführer des FIW, leiteten den Kurs, der wieder den wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen der Wettbewerbsordnung gewidmet war. Die einzelnen Fachvorträge der Referenten wurden von den Teilnehmern interessiert aufgenommen und rege diskutiert.
Mittwoch, 23. September 2015
Dr. Hans-Martin Feldkamp, Lanxess Deutschland GmbH, Köln, führte in die deutsche, europäische und amerikanische Kartellverfolgung ein. Insbesondere wies er auf die amerikanische Besonderheit hin, dass Individuen (kartell-)strafrechtlich verfolgt und regelmäßig auch mit einer Gefängnisstrafe pönalisiert würden sowie die für Deutschland und die EU fremden Institutionen der discovery und class actions. Den schmalen Grat zwischen abgestimmtem und nachahmendem bzw. gleichförmigem Verhalten veranschaulichte Dr. Feldkamp am Beispiel der Benzinpreisentwicklung. Er betonte auch, dass Kronzeugenregeln noch besser durchdacht werden müssten, da private enforcement-Regeln Unternehmen derzeit davon abschrecken könnten, ihre Daten im Bußgeldverfahren preiszugeben.
Professor Dr. Roman Inderst, House of Finance, Goethe Universität Frankfurt am Main, gewährte einen Einblick in die Wettbewerbsökonomie, indem er am Beispiel eines „Salat-Kartells“ Signifikanzen und Regressionen erläuterte. Anhand von Vergleichsmärkten näherte er sich über den Mittelwert sowie weitere empirische Methoden einer Berechnung des Kartellschadens an, wobei seine Frage stets lautete: Wie belastbar sind die Werte? Je mehr Daten zur Verfügung stünden und je länger der Zeitraum der gesammelten Daten sei, desto präziser seien auch die Ergebnisse. Er erinnerte auch daran, an „naturbedingte Ausreißer“ in einem Kartellzeitraum zu denken (z. B. extrem viel Regen in der Zeit des Salat-Kartells).
Dr. Michael Dietrich, Herbert Smith Freehills Germany LLP, Frankfurt/Main, widmete seinen Vortrag der Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen. In Deutschland wie in der EU sei tatsächlich nur der Missbrauch, nicht jedoch die marktbeherrschende Stellung an sich verboten. Für marktbeherrschende Unternehmen gebe es besondere Verhaltenspflichten. Er gab einen Überblick über einige Fälle. Zudem ging er auf die Abwendung des „more economic approach“ ein, wie sie auch im Intel-Urteil zu beobachten gewesen sei; der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung drohe damit – aus deutscher Rechtstradition – aber zu leicht rechtfertigbar zu sein.
Dr. Daniela Seeliger, Linklaters LLP, Düsseldorf, beleuchtete in ihrem Vortrag die deutsche und europäische Fusionskontrolle. Sie warf praktische Fragen der Beratung und -betreuung als Anwalt/Anwältin auf, etwa die Frage, ob eine Fusion vom Bundeskartellamt, das in der Regel strenger, dafür vielleicht aber auch schneller prüfe, oder von der Kommission zu untersuchen sein sollte (Marktabgrenzung). Für die Lösung einer Fusionszusage unter Auflagen sprach sie unter anderem die Möglichkeit von Veräußerungszusagen durch die fusionierenden Unternehmen an. Außerdem ging sie auf die Problematik sogenannter „Joint Ventures“ ein.
Donnerstag, 24. September 2015
Dr. Thomas B. Paul, Hengeler Mueller, Düsseldorf, referierte über Schadensersatzklagen auf kartellrechtlicher Grundlage. Die Klagen im Bereich des private enforcement seien in Europa vorwiegend in Großbritannien, Deutschland und den Niederlanden zu verzeichnen. Er zeichnete in seinem Vortrag den Weg vom Status Quo über einige praktische Beispiele bis hin zur baldigen Änderung der geltenden Regeln aufgrund der Kartellschadensersatzrichtlinie. Zum Stichwort Sammelklagen erläuterte er den in Deutschland gescheiterten Versuch der CDC GmbH, im Zement-Fall „gesammelte“ (und abgetretene) Ansprüche geltend zu machen. Besondere Erwähnung fand, dass beispielsweise ein kartellgeschädigtes Unternehmen sich die Ansprüche anderer Kartellgeschädigter abtreten lassen könne, um so „kollektiv“ Schadensersatz geltend zu machen.
Dr. Justus Herrlinger, White & Case LLP, Hamburg, beschäftigte sich mit der Bußgeldpraxis des Bundeskartellamts. Er zog insbesondere einen Vergleich der früheren Praxis, bei der die Berechnung des tatbezogenen Umsatzes eine große Rolle spielte, zur heutigen. Nach der Grauzement-Entscheidung des BGH, die sich nach Auffassung des Gerichtshofs „näher am Wortlaut“ des Gesetzes orientiere, müsse das Hauptaugenmerk auf dem Gesamtumsatz des Konzerns liegen. Dadurch käme es jedoch zu Fragen nach der Obergrenze oder der „Kappungsgrenze“ eines Bußgeldes, was Herrlinger am aktuellen Beispiel des Drogeriekartells verdeutlichte.
Dr. Christian Bürger, GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, Köln, gab in seinem Vortrag über Beschränkungen des Online-Vertriebs zunächst zu bedenken, dass es zwar wenig grenzüberschreitenden Internethandel innerhalb der EU gebe, dieser aber innerhalb Deutschlands bereits ca. 10 % des gesamten Handelsvolumens umfasse. Er erläuterte zulässige und unzulässige vertikale Beschränkungen (qualitative Anforderungen im selektiven Vertriebssystem). Die Preisparitätsklauseln bei Hotelplattformbetreibern sah er insbesondere dann kritisch, wenn die Hotelbetreiber dann kaum eine Möglichkeit auf Marktzugang ohne diese Plattform hätten, dennoch weder im Internet noch offline Hotelzimmer zu niedrigeren Preisen anbieten dürften.
Dr. Thomas Weck, Monopolkommission, Bonn, beschäftigte sich in seinem Vortrag ebenfalls mit der Herausforderung digitaler Märkte. Hierzu hatte die Monopolkommission das Sondergutachten 68 (Juni 2015) veröffentlicht, zuvor widmete sich Kapitel 1 des XX. Hauptgutachtens (Juli 2014) dem Thema. Weck ging auf neue Geschäftsmodelle, die im Internet entstehen, ein; darunter fielen Plattformdienste sowie die „share economy“ (z. B. AirBnB, Uber, crowd financing). Dies bedinge allerdings nicht unbedingt die Notwendigkeit neuer Wettbewerbsregeln, oft reichten angepasste Definitionen aus (so müssten z. B. die deutschen Gerichte von dem Gedanken abrücken, dass es keinen Markt gebe, wo kein Geld fließt). Beispielhaft nannte er Google als mehrseitige Plattform, die auf zwei- und mehrseitigen Märkten mit Netzwerkeffekten tätig ist, und wies auf die starke Tendenz zur innovationsgetriebenen Monopolbildung im Internet hin. Viele Probleme würden effektiver in anderen Bereichen, wie etwa dem Datenschutz-, Verbraucher- und Urheberrecht, behoben.
Jan Mühle, Bundeskartellamt, Bonn, verschaffte mit seinem Vortrag über die Organisation und Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts einen Überblick über Geschichte, Tätigkeit und Organisation des Bundeskartellamts. Im Hinblick auf das Bußgeldrekordjahr 2014 mutmaßte er, dass dies wohl eine Ausnahme bleiben werde. Mühle lobte die Zusammenarbeit des European Competition Network (ECN), das unter anderem in Form von Durchsuchungsverfahren genutzt werde, die das Bundeskartellamt für ausländische Wettbewerbsbehörden durchführe. Er ging auf alle Tätigkeitsfelder ein und untermalte diese mit Fallbeispielen, etwa dem Verfahren „Berlin Wasser“. Außerdem erinnerte er an die häufig nicht bedachte Beteiligung der Behörde an Kartellzivilverfahren als „amicus curiae“.
Das FIW dankt Hengeler Mueller für die Gastfreundschaft.
(Durch Klick auf den jeweiligen Referentennamen öffnet sich das hinterlegte Handout).